Bibliothek und Archiv für Nutzung geschlossen
Bewerbungsschluss 05.01.2025
20h/Monat ab 1. April 2025; Unterstützung in Forschung und Lehre
Admin, max. 18h / Woche
zum 01.01.2025
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Kerstin Brückweh (Erkner)
Wohnen und Wohneigentum. Lässt sich aus der Geschichte der Transformation in Ostdeutschland lernen?
20.01.2025 Bewerbungsschluss
03.07.-05.07.2024, Dresden
Buchvorstellung
18:00 Uhr, OEG 3790
"The Making and Unmaking of the Ukrainian Working Class"
mit Dr. Denys Gorbach (Autor) und Prof. Dr. Jeremy Morris (Diskutant)
Wissenswertes
Mit den Augen einer Mutter: Wladimir Bukowskis Ausweisung aus der Sowjetunion
Zum 40. Jahrestag des Gefangenenaustauschs Corvalán - Bukowski in Zürich
© Christian Vioujard, Pressekonferenz in Zürich, 19. Dezember 1976, FSO F. 01-96
„Sie lassen ihn frei! Sie lassen Wolodka frei!“ – Wie ein Schlag mit der Axt auf den Kopf habe es sich angefühlt, als am 14. Dezember 1976 zwei KGB-Mitarbeiter zu Nina Bukowskaja kamen und mitteilten, dass ihr im Gefängnis internierter Sohn Wladimir gegen den inhaftierten chilenischen KP-Führer Luis Corvalán ausgetauscht werden solle. Im Januar 1972 war Bukowski wegen antisowjetischer Agitation und Propaganda zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Nun sollte in drei Tagen seine überraschende Entlassung erfolgen. Sie würde endlich ihren Sohn wiedersehen, den die Gefängnisleitung durch wiederholte Besuchsverbote isoliert und von dem sie seit Monaten kein Lebenszeichen mehr erhalten hatte. Unsere Archivalien des Monats dokumentieren die Momente des Bangens und Wiedersehens.
Der Gefangenenaustausch Corvalán – Bukowski gilt nicht nur als diplomatischer Erfolg, sondern als bedeutendes Medienereignis im Kalten Krieg. Die bereits bestehenden Verhandlungen zwischen der Sowjetunion und Chile zur Freilassung des KP-Führers Luis Corvalán, der nach dem Putsch Pinochets verhaftet worden war, hatten durch die erneute Vermittlung der USA im November 1976 Fahrt aufgenommen. Der Präsidentschaftskandidat Jimmy Carter erklärte die Einhaltung der Menschenrechte zur obersten Priorität. Damit war auch der chilenischen Militärjunta als US-Verbündeten klar, dass der Druck auf sie zukünftig steigen würde und eine schnelle Freilassung Corvaláns in ihrem Interesse lag. Warum die Wahl der sowjetischen Führung auf Bukowski fiel, ist aufgrund geschlossener Archivbestände nicht umfassend geklärt. Der Bekanntheitsgrad des damals 34-jährigen Moskauer Dissidenten war in Westeuropa und den USA aufgrund zahlreicher Kampagnen von Menschenrechtsaktivisten hoch, allerdings wären auch andere inhaftierte sowjetische Regimekritiker für einen Austausch in Frage gekommen.
Hinreichend belegt ist die Vorgehensweise der sowjetischen Behörden. Bukowski wurde weder amnestiert, noch kam es zur Aufhebung des Gerichtsurteils gegen ihn. Er wurde durch einen Befehl des Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR N. Podgorni direkt aus dem Strafvollzug aus der Sowjetunion ausgewiesen und erst während seines Transports Richtung Flughafen über den bevorstehenden Austausch informiert. Er fürchtete, er werde verschleppt, und glaubte angesichts des Kontrollverlusts, innerlich zu zerbersten, wie er in seinen Erinnerungen beschrieb.
Manuskript von Nina Bukowskaja, ohne Datum, FSO F. 01-96
Auch seine Mutter Nina Bukowskaja befand sich in den Tagen vor ihrer überstürzten Ausreise in einer Achterbahn widersprüchlicher Gedanken und Gefühle. Unzählige Fragen stellten sich angesichts der Unfassbarkeit des Ereignisses und der kurzen Vorbereitungszeit. Wurde sie getäuscht und ausgeflogen, während ihr Sohn im Gefängnis bleiben würde? Welche Moskauer Dissidentenfreunde sollte sie als erstes über die unheimliche Nachricht informieren? Machte es Sinn, ihrem Sohn Kleidungsstücke zu besorgen oder würde er diese im Ausland ohnehin nicht tragen? Immer wieder nahmen ihre Zweifel überhand. Die Anspannung fiel erst in Zürich von ihr ab, wo sie endlich wieder die Nähe ihres Sohnes spüren konnte. Während sich Bukowski im Blitzlichtgewitter der Kameras vordergründig als Kämpfer für Freiheit und Menschenrechte präsentierte, gelang es dem französischen Fotograf Christian Vioujard hinter den Kulissen einen intimen Moment zwischen Mutter und Sohn dokumentarisch einzufangen. 1998 übergab die Tochter Nina Bukowskajas deren Materialien dem Archiv der FSO, darunter zahlreiche Fotografien und bisher unveröffentlichten Notizen, in der sie die Ausreise aus ihrer Perspektive schilderte.
Lesetipps:
Bukowski, Wladimir: Wind vor dem Eisgang, Frankfurt am Main 1978.
Ulianova, Olga: Corvalán for Bukovsky: A real exchange of prisoners during an imaginary war. The Chilean Dictatorship, the Soviet Union and US mediation, 1973-1976, in: Cold War History 14 (2014) 3, S. 315-336.
Manuela Putz
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