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Bewerbungsschluss 05.01.2025
20h/Monat ab 1. April 2025; Unterstützung in Forschung und Lehre
Admin, max. 18h / Woche
zum 01.01.2025
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Kerstin Brückweh (Erkner)
Wohnen und Wohneigentum. Lässt sich aus der Geschichte der Transformation in Ostdeutschland lernen?
20.01.2025 Bewerbungsschluss
03.07.-05.07.2024, Dresden
Buchvorstellung
18:00 Uhr, OEG 3790
"The Making and Unmaking of the Ukrainian Working Class"
mit Dr. Denys Gorbach (Autor) und Prof. Dr. Jeremy Morris (Diskutant)
Wissenswertes
Wirtschaftseliten und Politik
Laufzeit 2002 bis 2007, Ansprechpartner: Heiko Pleines
Verschiedene gesellschaftliche Interessengruppen wirken bei der Politikformulierung mit und haben Einfluss auf die Implementierung dieser Politik. Ihre Interessen und ihre Strategien der politischen Einflussnahme bestimmen deshalb die Ergebnisse von Politik mit. Dieses Verständnis von Politik als geregeltem Interessenkonflikt verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, also als Entscheidungsfindungsprozess (interaction-oriented policy research etwa im Sinne von Fritz W. Scharpf), liegt dem Projekt zugrunde.
Die traditionelle politikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung konzentriert sich auf Interessenverbände. Im Rahmen der Pluralismusforschung wurden diese Verbände als Selbstorganisation der Gesellschaft zur Mitwirkung an politischer Willensbildung in Massendemokratien normativ gerechtfertigt. In den 1970er Jahren entwickelte sich in Opposition hierzu der Korporatismusansatz, der eine enge Kooperation zwischen Staat und einigen wenigen starken Verbänden konstatierte und deshalb das Paradigma der Repräsentation gesellschaftlicher Interessen durch die Vorstellung eines Interessenkartells ersetzte. Der Gegensatz zwischen Pluralismus und Korporatismus wurde im Folgenden zunehmend aufgelöst durch die Verortung konkreter Verbändesysteme auf einer von Pluralismus bis Korporatismus reichenden Achse.
Dieser pragmatische, auf empirischer Forschung basierende Zugang führte zu einer Reihe von Innovationen im Bereich der Verbändeforschung. Einerseits wurden in Reaktion auf gesellschaftliche Entwicklungen die analytischen Konzepte erweitert. Die zunehmende Ausdifferenzierung der Verbändelandschaft und Individualisierung der Interessenvertretung führte zur Übernahme des Netzwerkansatzes. Anstelle einiger weniger Verbände wurden nun Politikfeldnetzwerke analysiert, die eine Vielzahl von Akteuren umfassen können. Die Globalisierung führte gleichzeitig zu einer Relativierung der nationalen Perspektive. Multinationale Akteure rückten in das Blickfeld nationaler Analysen und schwindende Kompetenzen nationaler Politik wurden als Ursache für Globalisierung bzw. Regionalisierung nationaler Verbände begriffen.
Andererseits wurde mit den Konzepten von "assoziativer Demokratie" und "Sozialkapital" erneut versucht eine normative Rechtfertigung für Interessenorganisationen zu finden. Die Beteiligung nichtstaatlicher Akteure an politischen Entscheidungsprozessen dient in dieser Sicht dem basisdemokratischen Ideal einer Politikgestaltung von unten, ohne unüberwindbare Koordinations- und Abstimmungsprobleme aufzuwerfen. Stark/Bruszt zum Beispiel betonen in ihrer Analyse von postsozialistischen Transformationsprozessen in Ostmitteleuropa derartige positive Effekte, wobei sie insbesondere die Integration zusätzlicher Interessengruppen in Entscheidungsprozesse, Reduzierung von Koordinationsproblemen und Entlastung des Staates von Regulierungsfunktionen aufführen.
Parallel dazu erhielt sowohl in der Politik- als auch der Wirtschaftswissenschaft der Aspekt der Korruption verstärkt Aufmerksamkeit. Einflussnahme auf staatliche Entscheidungen wird dabei - mit einem ähnlichen Argumentationsgang wie beim Korporatismusansatz - negativ gesehen. Es wird unterstellt, dass Akteure ohne direkte demokratische Legitimation ein Interessenkartell bilden und demokratisch regulierte und kontrollierte Entscheidungsfindungsprozesse durch interne Absprachen ersetzen. Hellman u.a. sprechen in diesem Zusammenhang von "state capture". Unternehmer übernehmen in diesem Konzept durch Korruption, d.h. durch den Kauf staatlicher Entscheidungen, die politische Entscheidungsfindung - zumindest im Bereich der Wirtschaftspolitik.
In diesem Projekt wird nun der Einfluss von Interessengruppen in ausgewählten Politikfeldern (Agrarpolitik, Kohlepolitik, Privatisierung, Regulierung der Erdöl- und Erdgaswirtschaft, Regulierung des Finanzsektors) für drei post-sozialistische Länder (Polen, Russland und die Ukraine) untersucht. Angewandt wird dabei ein "fokussierter Vergleich", der häufig als sinnvoller Kompromiss zwischen historisch-singulären Einzelfallstudien und stark generalisierenden makrostatistischen Untersuchungen gesehen. Nach Berg-Schlosser etwa "stellen auf eine überschaubare Zahl vergleichbarer Fälle bezogene Studien noch am ehesten den [...] Königsweg zu einer empirisch gehaltvollen und systematisch auf eingrenzbare Tatbestände in Raum und Zeit ausgerichteten politikwissenschaftlichen Theoriebildung 'mittlerer Reichweite' dar." Und Hague/Harrop resümieren: Focused comparisons "have proved to be the success story of comparative politics in recent decades."
Einwände gegen die Anwendung fokussierter Vergleiche beziehen sich vor allem auf die fehlende Repräsentativität und Probleme bei der Feststellung von Kausalitäten, da ohne Quantifizierung eine Bestimmung von Korrelationen unmöglich ist. Dementsprechend kann ein fokussierter Vergleich nicht dazu dienen, exakte kausale Zusammenhänge zwischen zwei Variablen zu bestimmen. Aufgrund dieser Einschränkung sollten fokussierte Vergleiche dazu dienen, einerseits durch quantitative Methoden etablierte kausale Zusammenhänge exemplarisch zu erklären und andererseits existierende Theorien zu testen und durch ausführliche Studien weitere intervenierende Variablen und alternative Wirkungszusammenhänge zu identifizieren. In diesem Sinne ergänzen sich makrostatistische Untersuchungen und fokussierte Vergleiche gegenseitig. Dementsprechend versteht sich auch dieses Projekt als Teil einer übergreifenden kollektiven Forschung.
Publikationen
Heiko Pleines: Reformblockaden in der Wirtschaftspolitik. Eine vergleichende Analyse der Rolle von Wirtschaftsakteuren in Polen, Russland und der Ukraine, Wiesbaden (VS Verlag) 2008.
Heiko Pleines: Der politische Einfluss der Kohlelobbies in Polen, Russland und der Ukraine. Eine vergleichende Politikfeldanalyse, Arbeitspapiere und Materialien der Forschungsstelle Osteuropa Nr. 80 (2006), 52 S.
Heiko Pleines: Der politische Einfluss der Agrarlobbies in Polen, Russland und der Ukraine. Eine vergleichende Politikfeldanalyse, Arbeitspapiere und Materialien der Forschungsstelle Osteuropa Nr. 79 (2006), 53 S.
Heiko Pleines: Informelle Einflußnahme und Demokratie. Wirtschaftsakteure in Rußland und der Ukraine, in: Osteuropa 10/2005 (Jg. 55), S.99-108
Heiko Pleines: Informalisierung statt Institutionalisierung von Reformen? Zur Rolle von
Korruption, in: Hans-Hermann Höhmann u.a. (Hg.): Nur ein Ölboom?
Bestimmungsfaktoren und Perspektiven der russischen Wirtschaft, Münster
2005, S.247-259
Heiko Pleines: Ukrainische Seilschaften. Informelle Einflussnahme in der
ukrainischen Wirtschaftspolitik 1992-2004, Münster (LIT-Verlag) 2005, 198 S.
Heiko Pleines: Aufstieg und Fall. Oligarchen in Rußland, in: Osteuropa
3/2004, S.71-81
Heiko Pleines: Social partners and captors. The role of non-state actors in
economic policy-making in Eastern Europe, in: Romanian Journal of Political
Science 1/2004, S.51-65
Heiko Pleines: Der politische Konflikt um die Restrukturierung der
russischen Kohleindustrie, in: Osteuropa Wirtschaft 1/2004, S.49-62
Heiko Pleines: The political role of civil society organizations in Central
and Eastern Europe, in: Arbeitspapiere und Materialien der Forschungsstelle
Osteuropa Nr. 67 (2005), S.30-39
Heiko Pleines: The political economy of coal industry restructuring in
Ukraine, KICES Working Papers No.1 (2004)
Heiko Pleines: Der politische Einfluß der Wirtschaftseliten im Rußland der
Jelzin-Ära, in: Christian Meier u.a. (Hg.): Ökonomie Kultur Politik.
Transformationsprozesse in Osteuropa. Festschrift für Hans-Hermann Höhmann,
Bremen 2003, S.325-338
Heiko Pleines: Sozialpartner, Oligarchen und graue Eminenzen. Zur Rolle nicht-staatlicher Akteure in wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozessen, in: Hans-Hermann Höhmann u.a. (Hg.): Wirtschaftspolitik in Osteuropa zwischen ökonomischer Kultur, Institutionenbildung und Akteursverhalten. Russland, Polen und Tschechische Republik im Vergleich, Bremen 2003, S.225-245
Stefanie Harter, Jörn Grävingholt, Heiko Pleines, Hans-Henning Schröder: Geschäfte mit der Macht. Wirtschaftseliten als politische Akteure im Russland der Transformationsjahre 1992-2001, Bremen (Edition Temmen) 2003
Heiko Pleines: Wirtschaftseliten und Politik im Rußland der Jelzin-Ära, Münster (LIT-Verlag) 2003, 444 S.
Heiko Pleines: Der politische Einfluß von Wirtschaftseliten in Rußland. Die Banken in der Ära Jelzin, Arbeitspapiere und Materialien der Forschungsstelle Osteuropa Nr. 43 (2003), 32 S.
Tina Kowall und Kerstin Zimmer: Der politische Einfluß von Wirtschaftseliten in der Ukraine. Nationale und regionale Oligarchen, Arbeitspapiere und Materialien der Forschungsstelle Osteuropa Nr.42 (2002), 37 S.
Heiko Pleines: Der politische Einfluß von Wirtschaftseliten in Rußland. Die Öl- und Gasindustrie in der Ära Jelzin, Arbeitspapiere und Materialien der Forschungsstelle Osteuropa Nr. 41 (2002), 40 S.
Andreas Heinrich, Julia Kusznir, Heiko Pleines: Foreign investment and national interests in the Russian oil and gas industry, in: Post-Communist Economies 4/2002, S.495-507
Heiko Pleines: Verhaltensmuster russischer Unternehmer und Bürokraten als wirtschaftskulturelle Probleme für die Steuerreform, in: Hans-Hermann Höhmann (Hg.): Wirtschaft und Kultur im Transformationsprozeß, Bremen 2002, S. 199-220
Heiko Pleines: Gazprom als Sponsor der virtuellen Wirtschaft? Zur Rationalität eines russischen Wirtschaftsakteurs, in: Osteuropa Wirtschaft 3/2000, S. 308-315
Heiko Pleines: Corruption networks in the Russian economy, in: Slovo 2000 (special issue), S. 104-120
Heiko Pleines: Large-scale corruption and rent-seeking in the Russian banking sector, in: Alena Ledeneva / Marina Kurkchiyan (Hg.): Economic crime in Russia, The Hague 2000, S. 191-207
Heiko Pleines: Down, out and forever desperate? The role of coal miners protests in Russian politics, in: Stefanie Harter u.a. (Hg.): Shaping the economic space in Russia, Aldershot 2000, S. 127-146
Heiko Pleines, Kirsten Westphal: Rußlands Gazprom. Die Rolle des Gaskonzerns in der russischen Politik und Wirtschaft, Bericht des BIOst 33/1999, 30 S.
Heiko Pleines: Die post-sowjetische Strukturkrise der russischen Kohleindustrie, Bericht des BIOst 19/1999, 36 S.
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