Film und Gespräch: Heller Weg
19:00 Uhr, Kulturwerkstatt Westend
Mit Regisseurin Iryna Riabenka, moderiert von Oksana Chorna
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Natalia Fedorenko (Bremen)
Coming of Age in the Urals in the Early 1960s: Ideals and Perspektives of the Middle Class. The Story of Anna Tarshis
Wissenswertes
Das andere Osteuropa - die 1960er bis 1980er Jahre: Dissens in Politik und Gesellschaft, Alternativen in der Kultur. Beiträge zu einer vergleichenden Zeitgeschichte.
VW-Forschungsverbund unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Eichwede, Laufzeit 01/ 2007 - 06 / 2009Partnerinstitutionen
Eötvös Lorand Universität, Budapest
Fakultät für Rechts- und Politikwissenschaften Prof. Dr. Máté Szábo
Adam Mickiewicz Universität, Poznań
Institut für Polnische Philologie, Abteilung Komparatistik Prof. Dr. Boguslaw Bakula
Institut für Zeitgeschichte der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, Prag Prof. Dr. Oldřich Tůma in Zusammenarbeit mit Institut für Biografieforschung, Fernuniversität Hagen Prof. Dr. Alexander von Plato
Wissenschaftliches Zentrum Memorial, Moskau Arsenij Roginskij
Forschung und Fragestellungen
Die sowjetischen Regime wurden in den Jahrzehnten des geteilten Europa zunächst unter den Aspekten der politischen Diktatur und des Totalitarismus betrachtet. Von den 1960er Jahren an verlagerte sich das Forschungsinteresse auf die Differenzierungen innerhalb des Sowjetblocks und auf Modernisierungsleistungen, die die Systeme trotz ihrer nichtdemokratischen Gesellschaftsstruktur erbracht haben. Die Geschichte der sowjetischen Diktaturen war aber auch eine Geschichte des Widerstands gegen diese und der wiederholten Versuche, aus Kultur und Gesellschaft heraus einen Wandel einzuleiten. Der Hinweis auf die Jahreszahlen 1953 (Ostdeutschland), 1956 (Ungarn), 1968 (Tschechoslowakei) und 1980/81 (Polen) mag hier genügen. Der Dissens schrieb ein weiteres Kapitel dieser Widerstandsgeschichte. Er bereitete die historischen Umwälzungen von 1989 und 1991 vor und leistete damit einen wesentlichen Beitrag zur europäischen Geschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Trotzdem hat die Geschichtswissenschaft ihm bislang wenig Beachtung geschenkt oder ihn nur im Kontext einzelner Länder erörtert. Eine komparative Analyse des "anderen Osteuropa" fehlt jedenfalls bislang.
Der von der Bremer Forschungsstelle Osteuropa in Zusammenarbeit mit Partnerinstitutionen in Ost- und Ostmitteleuropa konzipierte und von der Volkswagen-Stiftung geförderte Forschungsverbund will einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke liefern. Dafür sind Strategien vonnöten, die einerseits die Möglichkeiten der neu geöffneten Archive nutzen, andererseits Untersuchungskategorien und Theorieansätze erarbeiten, die der komplexen, oft widersprüchlichen Entwicklung der Epoche nach Stalin und vor Gorbačev gerecht werden. Zu prüfen ist etwa die Übertragbarkeit der Konzepte der "Öffentlichkeit" und der "Autonomie", die sich bei der Erforschung anderer Epochen und sozialen Verhältnisse bewährt haben, auf die Gesellschaften sowjetischen Typs. Angestrebt wird ferner eine vergleichende Forschungskonzeption, für die die Differenz aber nicht weniger bedeutsam ist als mögliche Parallelen. Historisch-politologische und kulturgeschichtliche Ansätze sollen nicht nebeneinander gestellt, sondern zusammengeführt werden.
Dieser Ansatz erfordert die Ausarbeitung eines Fragerasters, das die komparative Analyse einzelner Entwicklungsstränge ermöglicht, ohne den jeweiligen kulturellen und historischen Kontext aus den Augen zu verlieren. Schließlich werden trotz der permanenten Konflikte zwischen Dissens und kommunistischem Regime keine dichotomischen Analysemodelle zugrundegelegt.Grauzonen, Übergänge und "Wanderungen" von Ideen und Menschen bestimmen vielmehr das Bild.
Der Projektverbund besteht aus drei Teilprojekten:
- Diskurse im Dissens und in den alternativen Kulturen
- Politiken der Zensur
- Lebenswege im Dissens.
Im Mittelpunkt des ersten Teilprojekts werden die Diskurse im politischen Dissens und in den alternativen Kulturen stehen. Zu fragen sein wird vor allem nach der Definition eigener Positionen, dem historischen Gedächtnis und dem Traditionsbewusstsein, nach der Sichtweise der herrschenden Ordnungen und der Konzipierung eigener Strategien. Dabei wird die Tendenz erkennbar, Systemkategorien hinter sich zu lassen, um Grundlagen einer Zivilgesellschaft zu entwerfen. Besondere Aufmerksamkeit werden die Überschneidungen von offiziellen und inoffiziellen, konformen und nichtkonformen Denkmustern finden. Beachtet werden auch Phasenverschiebungen und Ungleichzeitigkeiten zwischen den einzelnen Ländern sowie der internationale Referenzrahmen, das heißt die Einwirkungen, die sich etwa aus der Systemrivalität oder aus den Entspannungsprozessen ergeben haben.
Die Reaktionen der sowjetischen Systeme auf die Autonomiebestrebungen und die Artikulationen von Widerspruch reichten von Zensureingriffen, beruflicher Zurücksetzung, Integrations- und Unterwanderungsversuchen bis hin zu massiver Repression und Publikations-, Ausstellungs- und Auftrittsverboten. Das zweite Teilprojekt konzentriert sich auf die Politiken der Zensur, die aus der Perspektive der Macht das definieren, was öffentlich sein soll bzw. was in der Öffentlichkeit tolerierbar ist. Die Existenz der Zensur ist gleichzeitig jener Tatbestand, der die Entstehung der Samizdat-Kulturen hervorgerufen hat. Der Fokus wird sich auf das Zusammenwirken verschiedener Zensurakteure und vor allem die Kriterien der Zensur richten. Es wird dabei deutlich werden, dass sich die Praktiken der Zensur nicht nur zwischen verschiedenen Ländern und Perioden, sondern auch innerhalb eines Landes zur gleichen Zeit zwischen einzelnen Kulturbereichen unterschieden.
Lebensgeschichtlich-biographische Fakten werden in der Osteuropaforschung im allgemeinen und in Erforschung des osteuropäischen Dissens und der alternativen Kultur im besonderen nur selten thematisiert. Vergleichende Analysen hierzu fehlen gänzlich. Daher unternimmt das dritte Teilprojekt den Versuch, die Lebenswege der Dissidenten in verschiedenen Ländern Osteuropas einer komparativen Analyse zu unterziehen. Anhand von qualitativen Interviews sollen deren Karrieren, Erfahrungen, Kontinuitäten bzw.
Diskontinuitäten und Selbstreflexionen untersucht werden. Drei Themenfelder stehen im Zentrum des Interesses: das Selbstverständnis der Andersdenkenden, die Wahrnehmung der staatlichen Repressionen und die Beziehungsnetze des Dissens. Zu zeigen sein wird vor allem, welche Erlebnisse und Erfahrungen die Personen zum Bruch mit dem Regime gebracht haben. Die Analyse wird auch andere Quellen berücksichtigen: Samizdat-Publikationen (z.B. Memoiren), Dokumente der Staatssicherheit und persönliches Schrifttum.
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