Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3 0330 / Zoom
Natalya Kolyagina (Paris)
Childhood Memoirs in Written Auto-Narratives of Women Participants of Soviet Dissident Human Rights Groups
Kolloquiumsvortrag
18:00 Uhr, Haus der Wissenschaft
Martina Winkler (Kiel)
Peter I. – Zar, Kaiser und hartnäckiger Mythos
Vortrag in russischer Sprache, Staff-Exchange Projekt
11:00 (s.t.), kleiner Konferenzraum OEG
Какаджан Джанбеков и Оразгелди
Гурбанов Международное партнерство с Европой – Институт Языка, литературы и национальных рукописей имени Махтумкули
Vortrag in russischer Sprache, Staff-Exchange Projekt
12:00 (s.t.), kleiner Konferenzraum OEG
Сайкал Ибраимова (Ошский государственный университет)
Межэтнический «Конфликт в Кыргызстане: роль нарратива
Wissenswertes
Forschungsstelle Osteuropa
Die Forschungsstelle Osteuropa (FSO) ist als An-Institut eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung an der Universität Bremen. Sie wird gemeinsam von der Kultusministerkonferenz und dem Land Bremen finanziert. Im Jahre 1982 mitten im Kalten Krieg gegründet, versteht sich die FSO heute als ein Ort, an dem der Ostblock und seine Gesellschaften mit ihrer spezifischen Kultur aufgearbeitet sowie aktuelle Entwicklungen in der post-sowjetischen Region analysiert werden.
Aktuelle PressebeiträgeUkrainische Journalistin stirbt in russischer Haft - Kein Einzelfall» weiterlesen "Putin schüttet alles mit Geld zu“ - Ukraine, Weltkriegsgedenken und die EU » weiterlesen |
Aktuelles aus Forschung & ArchivNeue Publikationen zur Ukraine: Sozialpolitik sowie politisches System» weiterlesen Susanne Schattenberg über Robert Hornsbys Buch "The Soviet Sixties" » weiterlesen |
Archivale des Monats
„Der schönste Tag in unserem Leben“
Zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa
Foto von Michail Arschankskij. Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, Foto: Muriel Nägler.
Zum „Tag des Sieges“ im Jahr 1985 schickte der Ingenieur und ehemalige Offizier Michail Jefimowitsch Arschanskij (1912-1985) seinem langjährigen Freund und Dissidenten Lew Kopelew (1912-1997) eine Grußkarte, in der er den 9. Mai 1945 als „den schönsten Tag in unserem Leben“ bezeichnete. Und auch Raissa Orlowa (1918-1989), die Frau von Lew Kopelew, vermerkte im Kölner Exil in ihren Aufzeichnungen am 11. Mai 1985: „Die letzten Wochen standen auf unterschiedlicher Weise im Zeichen des 8. Mai. […]. Abends bekamen wir eine Karte von Mischa Arschanskij, so haben wir uns dann wenigstens aus der Ferne zugeprostet und umarmt.“
In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 wurden mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte alle Kampfhandlungen in Europa eingestellt. Der Zweite Weltkrieg war auf europäischem Boden beendet und die Bilanz des Krieges erschreckend. Mit Abstand die meisten Kriegsopfer hatte die Sowjetunion mit 27,5 Millionen Toten zu beklagen. Die vom Krieg betroffenen Gebiete waren oft vollständig zerstört. Mit enormen Verlusten hatte die multiethnische Rote Armee einen entscheidenden Teil dazu beigetragen, Europa vom Nationalsozialismus zu befreien. Gleichzeitig brachte dieser Sieg Terror und Zwangsmaßnahmen, die Stalin gegen seine Soldat:innen einsetzte, um gerade zu Kriegsbeginn die massive Unterlegenheit der Roten Armee gegen die Wehrmacht auszugleichen.
Grußworte von Michail Arschanskij an Lew Kopelew, 1985. Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, Foto: Muriel Nägler.
Kopelew selbst wurde Opfer dieser staatlichen Verfolgung. Zum Kriegsende befand er sich in sowjetischer Haft. Am 5. April 1945 war er wegen „Propagierung des bürgerlichen Humanismus“ und „Mitleid mit dem Feind“ verhaftet worden. Als Propagandaoffizier der Roten Armee hatte er den Umgang der eigenen Truppen mit der Zivilbevölkerung Ostpreußens angeprangert und wurde dafür zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Arschanskij bewies viel Mut, als er mehrmals vor Gericht für Kopelew aussagte und sich für die Freilassung seines Freundes einsetzte. Als Strafe verlor er seine Parteimitgliedschaft und wurde aus der Armee unehrenhaft entlassen. In seiner Autobiografie „Aufbewahren für alle Zeit“ schreibt Kopelew, dass er von den Worten Arschanskijs im Gerichtssaal so gerührt war, dass er die Tränen unterdrücken musste. Nach Stalins Tod wurde Kopelew 1954 vorzeitig aus der Haft entlassen, 1956 wurden Arschanskij und Kopelew rehabilitiert.
Ausschnitt der Grußkarte von Michail Arschanskij an Lew Kopelew, 1985. Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, Foto: Muriel Nägler.
Unter Leonid Breschnew wurde der 9. Mai zu einem arbeitsfreien, staatlich inszenierten Heldengedenktag, der die heroische Erzählung des „Großen Vaterländischen Kriegs“ in den Mittelpunkt stellte. Trotz alledem blieb der Tag für viele Menschen mit persönlichen Erinnerungen an Verlust, Überleben und individuelle Kriegserfahrungen verbunden. Zwischen offizieller Erinnerungskultur und privatem Gedenken entstand so ein Spannungsfeld, das die Vielschichtigkeit sowjetischer Erinnerungskultur offenbart. Erst mit Machtübernahme Michail Gorbatschows und durch die von ihm eingeleiteten Reformen konnte sich das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg pluralisieren. Vielleicht hat Arschanskij gerade deshalb diese Karte ausgewählt, da der abgebildete Soldat wenig mit den Propagandabildern zu tun hat. Er sieht vor allem müde und gezeichnet aus und zeigt, dass Krieg vor allem eins bedeutet: Gewalt und Leid. So schrieb Arschanskij 1983 an Orlowa über den Zweiten Weltkrieg: „Millionen von Menschen hätten nicht zu sterben brauchen! Millionen und Abermillionen brauchten heute nicht zu sterben! [gemeint ist der sowjetische Krieg in Afghanistan] Es sollte einem zu denken geben.“ Und in der Tat, das sollte uns heute mehr denn je zu denken geben.
Muriel Nägler
Lesetipps:
Tumarkin, Nina: The Living and the Dead. The Rise and Fall of the Cult of World War II in Russia, New York 1994.
Kopelew, Lew: Aufbewahren für alle Zeit! München 1979.
Struve, Kai: Der 8./9. Mai 1945 und Russlands Krieg gegen die Ukraine, in: Ukraine-Analyse Nr. 314 (07.05.2025), https://laender-analysen.de/ukraine-analysen/314/8-9-mai-1945-und-russlands-krieg-gegen-die-ukraine/ [08.05.2025].
Muriel Nägler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bremen und promoviert zu dem Thema „Erfahrungen kriegsgefangener Rotarmistinnen im Kontext des Zweiten Weltkriegs“.
Länder-Analysen
» Länder-Analysen
» Eastern Europe - Analytical Digests
Discuss Data
Archiving, sharing and discussing research data on Eastern Europe, South Caucasus and Central AsiaOnline-Dossiers zu
» Russian street art against war
» Dissens in der UdSSR
» Duma-Debatten
» 20 Jahre Putin
» Protest in Russland
» Annexion der Krim
» sowjetischem Truppenabzug aus der DDR
» Mauerfall 1989