Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Maike Lehmann (Bremen)
Kul‘turnost‘ and Non/Belonging in the Late Soviet Union
(65% der vollen Wochenarbeitszeit, Entgeltgruppe 13 TV-L)
ab dem 01. Januar 2025 befristet für 3 Jahre. Bewerbungsfrist: 31.10.2024
Diskussion: Was ist „Osteuropa“? Geschichte und Gegenwart eines widersprüchlichen Konzepts
19 Uhr, Bibliothek der Weserburg Museum für moderne Kunst
Anastasia Tikhomirova, Hans-Christian Petersen, Artur Weigandt, Klaas Anders
Ukrainische Schriftsteller*innen in Zeiten des Krieges
18:00 Uhr, Europapunkt Bremen
Oxana Matiychuk, Susanne Schattenberg
Wissenswertes
Wir trauern um Wladimir Konstantinowitsch Bukowski
(30.12.1942 in Belebej – 27.10.2019 in Cambridge)
Quelle: FSO 01-096 (Nina Bukowskaja), © Wilkinson
Wladimir Bukowski war ein Ausnahmedissident. Seinen Kampf gegen die sowjetische Staatsmacht verstand er schon früh als Berufung. Von einem jugendlichen Rebellen wandelte er sich zu einer сharismatischen Persönlichkeit, die im westlichen Ausland aufgrund ihres unermüdlichen und radikalen Einsatzes für Bürgerrechte von vielen Aktivist*innen hoch geschätzt war. Geboren wurde Wladimir Bukowski in Belebej in der Baschkirischen Autonomen Sowjetrepublik. Unmittelbar nach Kriegsende kehrte die Familie aus der Evakuierung nach Moskau zurück und wohnte fortan im Zentrum der Hauptstadt. Es waren die Dichterlesungen vor dem Majakowski-Denkmal, die - wie für viele junge Menschen der Tauwetter-Generation - eine Schlüsselrolle in seiner Entwicklung einnahmen. Nachdem der inoffizielle Teil der Lesungen von der Staatssicherheit bald unterbunden wurde, war Bukowski einer der maßgeblichen Akteure, der die Treffen am Majakowski-Platz zu Beginn der 1960er Jahre wiederzubeleben versuchte. Er schlüpfte dabei in die Rolle eines findigen Organisators und wurde Teil einer sich entwickelnden Szene, in der unter Umgehung der Zensur kritische Gedichtbände und Literaturzeitschriften im inoffiziellen Selbstverlag (Samisdat) herausgegeben und verbreitet wurden.
Eine erste Hausdurchsuchung im Jahr 1961 läutete jenen neuen Abschnitt in Bukowskis Lebens ein, das für die nächsten fünfzehn Jahre von einer Abfolge von Haftstrafen gekennzeichnet war. 1963 wurde Bukowski wegen der illegalen Verbreitung von Samisdat erstmals verhaftet und in eine psychiatrische Spezialklinik in Leningrad eingewiesen. Eine zweite Einweisung erfolgte 1965, als sich Bukowski im Vorfeld des Gerichtsprozesses gegen die Schriftsteller Andrej Sinjawski und Juli Daniel an Protestaktivitäten beteiligte. Im September 1967 wurde eine dreijährige Haftstrafe gegen ihn als Drahtzieher einer ungenehmigten Protestveranstaltung verhängt, die vierte Verurteilung folgte im Januar 1972. Noch vor Beendigung seiner Haftstrafe gelangte seine zusammen mit Semjon Glusman in der Haft verfasste Dokumentation zum Missbrauch der sowjetischen Psychiatrie in den Umlauf.
Nicht nur in dissidentischen Kreisen, sondern auch im Westen war er Mitte der 1970er Jahre kein Unbekannter mehr. Sein Fall hatte dort längst mediale Aufmerksamkeit gewonnen, und eine ganze Reihe an Initiativen und Kampagnen zu seiner Freilassung waren entstanden. 1976 kamen die Sowjetunion und Chile durch die Vermittlung der USA endlich zu einem Übereinkommen zur Freilassung des chilenischen KP-Führer Luis Corvalán. Als Austausch fiel die Wahl auf Bukowski. Am 18. Dezember wurde er auf direktem Wege aus dem Gefängnis von Wladimir nach Moskau gebracht und aus der Sowjetunion nach Zürich ausgeflogen. Drei Monate nach seiner Zwangsausweisung wurde er im März 1977 vom damaligen US-Präsident James Carter empfangen und avancierte damit endgültig zur Symbolfigur des Sieges einiger Mutiger über ein totalitäres System. Sein Weg führte Bukowski in die Niederlande, die USA und nach Cambridge in Großbritannien, wo er sein in Moskau begonnenes Studium der Neurophysiologie beendete und über die Jahre hinweg publizistisch tätig war.
Die Welt hatte sich gewandelt, Bukowski jedoch blieb seinen Idealen treu. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion richteten sich seine Aktivitäten gegen die russische Staatsführung, aber auch gegen die Europäische Union und den in seinen Augen zu nachgiebigen Westen, sodass man den Eindruck gewinnt, er habe gar nicht anders gekonnt, als immer weiter zu gehen und zu kämpfen. Möge Wladimir Bukowski nach seiner schweren Krankheit und seinem von politischen Aktivismus durchdrungenen Leben in Frieden ruhen.
Im Archiv der FSO wird gegenwärtig der Teilnachlass von Nina Bukowskaja im Rahmen des Archivierungsprojekts "Alternatives Gedächtnis der Permer Politlager" erschlossen. Er enthält eine Vielzahl an Originaldokumenten, Briefen und Fotografien ihres Sohnes Wladimir Bukowski, die sein Leben und Wirken eindrucksvoll dokumentieren.
Manuela Putz
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