Film und Gespräch: Heller Weg
19:00 Uhr, Kulturwerkstatt Westend
Mit Regisseurin Iryna Riabenka, moderiert von Oksana Chorna
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Natalia Fedorenko (Bremen)
Coming of Age in the Urals in the Early 1960s: Ideals and Perspektives of the Middle Class. The Story of Anna Tarshis
Wissenswertes
Nikolaj Konstantinowitsch Bokow
(7.7.1945, Moskau – 2.12.2019, Paris)
Quelle: FSO 01-160
Nikolaj Bokow war von jungen Jahren an in vieler Hinsicht ein Andersdenkender. 1969 schloss er erfolgreich sein Philosophie-Studium an der renommierten Lomonossow-Universität ab und wurde 1970 Doktorand an derselben Fakultät. Seit Mitte der 1960er mit der literarischen inoffiziellen Gruppe SMOG befreundet, gehörte er zum Kreis der Autoren und Verbreiter von Samizdat.
Die enge Freundschaft mit Andrej Amalrik und die Lektüre von dessen 1969 im Samizdat erschienenem Essay „Erlebt die Sowjetunion das Jahr 1984?“ brachten Bokow auf die Idee, eine satirische Geschichte zu verfassen: Der von einem Dieb aus dem Moskauer Mausoleum gestohlene Kopf Lenins geht auf die Reise durch die realexistierende Sowjetunion. Unter einem Pseudonym erschien 1970 der Roman „Wirren aus neuester Zeit oder Die erstaunlichen Abenteuer des Wanja Tschmotanow“ im russischen Tamizdat in Paris, parallel im polnischen Samizdat und 1972 in deutscher Sprache in Zürich. Sobald der KGB den wahren Autor identifiziert hatte, wurde Nikolaj Bokow von der Universität suspendiert und war zwei Jahre lang mehreren Verhören, Einschüchterungen und Verfolgungen ausgesetzt. Vor die Wahl zwischen Haft und Ausweisung gestellt, ging Bokow 1975 in die Emigration, ließ sich in Paris nieder, wo er sogleich zum Gründer und Herausgeber der Tamizdat-Zeitschrift „Kowtscheg“ (Die Arche) wurde.
Als nicht klassischer Dissident, sondern als ein philosophisch-theologisch Sinnsuchender und Andersdenkender brach Nikolaj Bokow mit der modernen Zivilisation und wanderte seit 1983 als Obdachloser durch das Abendland; manchmal verbrachte er mehrere Monate in einem Kloster; Westeuropa durchquerte er buchstäblich und kehrte erst 1995 in die Zivilisation zurück. Diese Wanderschaft bezeichnete Bokow als eine Reise in und zu sich selber; seine Erfahrungen hat er literarisch eindrucksvoll verarbeitet und seit Beginn der 2000er Jahre publiziert. In seinem letzten, 2016 erschienenen Buch „Die Zone der Antwort“ zieht der Autor Bilanz seiner Wanderschaft. Für ihn bedeutete das nicht nur die Suche nach Wahrheit, sondern auch Rede und Antwort für seine Taten zu stehen.
Ein außergewöhnlicher Mensch, ein Freidenker und ein Wahrheitssuchender ist mit 74 Jahren von uns gegangen. Möge er nun alle seine Antworten finden.
2003 gründete Nikolaj Bokow seinen Bestand im Archiv der FSO.
MK
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