Bibliothek und Archiv für Nutzung geschlossen
Bewerbungsschluss 05.01.2025
20h/Monat ab 1. April 2025; Unterstützung in Forschung und Lehre
Admin, max. 18h / Woche
zum 01.01.2025
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Kerstin Brückweh (Erkner)
Wohnen und Wohneigentum. Lässt sich aus der Geschichte der Transformation in Ostdeutschland lernen?
20.01.2025 Bewerbungsschluss
03.07.-05.07.2024, Dresden
Buchvorstellung
18:00 Uhr, OEG 3790
"The Making and Unmaking of the Ukrainian Working Class"
mit Dr. Denys Gorbach (Autor) und Prof. Dr. Jeremy Morris (Diskutant)
Wissenswertes
Im Gedenken an unseren Archivgeber Tschingis Gussejnow
Quelle: FSO Bremen
Tschingis Gussejnow
20.04.1929 in Baku – 08.01.2024 in Jerusalem
Der Schriftsteller, Literaturkritiker und Übersetzer Tschingis Gussejnow (aserbaidschanisch Çingiz Həsən oğlu Hüseynov) hat sich lebenslang geweigert, als „Dissident“ bezeichnet zu werden, denn als Mitglied im Schriftstellerverband geriet er mit dem Regime offiziell nie aneinander. Dabei nutzte er seine Position als Berater der Kommission für die Literaturen der Völker der UdSSR durchaus auch, um sich für politisch verfolgte Kollegen aus dem Schriftstellermilieu einzusetzen. Obwohl er, wie er selbst sagte, nie den Mut fand, offen gegen das System zu protestieren, verschlüsselte er sein Unbehagen an seinem eigenen Konformismus gegenüber dem politischen System in seinem literarischen Werk und vor allem im Tagebuch. So wohnte er 1966 dem Prozess gegen seine Schriftstellerkollegen Juli Daniel und Andrej Sinjawski bei und litt, weil er nicht für sie offen Partei ergriff, wie seine Tagebücher offenbaren. Doch gerade als Grenzgänger war er ein wichtiger Lehrer und Inspirator für seine Studenten, der sich lange vor dem Beginn der Auseinandersetzung mit dem imperialen und kolonialen Verhalten der Sowjetunion intensiv mit den verschiedenen literarischen Kulturen des Vielvölkerreichs beschäftigte.
Gussejnow wurde am 20. April 1929 in Baku geboren. 1947 kam er zum Studium nach Moskau und schloss es an der Philologischen Fakultät der Moskauer Staatlichen Universität 1952 ab. Danach promovierte er an der Graduiertenschule am Institut für Orientalistik an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR bei dem renommierten aserbaidschanischen Orientalisten Azis Scharif.
Von 1955 bis 1971 erfüllte Gussejnow die Funktion eines Beraters bei der Kommission für die Literaturen der Völker der UdSSR im Schriftstellerverband der UdSSR, dessen Mitglied er seit 1959 wurde. Tschingis Gussejnow war auch als Herausgeber und Literaturwissenschaftler tätig. Als Dozent und später Professor lehrte er am Gorki-Literaturinstitut (Abteilung für Übersetzungstheorie, 1959-1964, Abteilung für sowjetische Literatur, 1970-1975); in den Jahren 1996-2012 war er Professor an der Fakultät für Philologie der Moskauer Staatlichen Universität.
In seinen ersten Werken „Magomed, Mamed, Mamish“ (1975), „Fatali oder die betrogenen Sterne“ (1983) und „Familiengeheimnisse“ (1986) richtet der Autor kaleidoskopartig und u.a. unter dem Einfluss des magischen Realismus einen Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit und historische Vergangenheit der aserbaidschanischen Gesellschaft. Diese erscheint als ein Milieu, das einerseits durch den imperialen Einfluss Russlands und die modernisierenden Tendenzen der Sowjetunion, andererseits durch bestehende Traditionen des Kaukasus geprägt wird.
Nach der Perestroika-Zeit begann Gussejnows besonders aktive schriftstellerische Phase: Im Roman „Directory Igra“ (1996) geht es um eine zwischen Utopie und Dystopie changierende Wirklichkeit, in der ein Computerprogramm das geopolitische Schicksal seiner Protagonisten bestimmt. Der dokumentarische Roman „Doctor N“ (1998) benutzt z.T. sensationelle, zum ersten Mal zugängliche archivalische Dokumente aus der Zeit der Russischen Revolution, um einen Blick auf die Politik Transkaukasiens zu richten. Im neuen Jahrtausend beschäftigte sich Gussejnow zunehmend mit der Geschichte und Deutung des Islams. Daraus entstanden die Romane „Meradsch“ (2008) und „Lass kein Wasser aus einem umgestürzten Krug verschütten“ (2003), die sich mit der Biographie des Propheten Muhammed und einer neuen Deutung des Koran beschäftigen.
2009 erschienen Gussejnows Erinnerungen „Der Vergangenheit entgegen“. In den letzten Lebensjahren beschäftigte er sich mit den Fragen nach Gemeinsamkeit von Judentum, Islam und Christentums, die er im Begriff „abrahamische Weltreligionen“ zusammenfasste. Sein letzter, zum Teil autobiographischer, Roman „Das Pferd zu beschlagen“ erschien 2022.
Neben Russland und Aserbaidschan sind Gussejnows Werke in den USA, Bulgarien, Deutschland, Kasachstan, Lettland, Litauen, Moldau, Polen, der Ukraine, Slowakei, Türkei, Usbekistan, Frankreich, Tschechien und Estland erschienen.
Seit 2013 lebte Gussejnow in Israel. Am 8. Januar 2024 starb er in Jerusalem.
Bereits 2009 übergab Tschingis Gussejnow den Hauptbestandteil seines russischen Archivs – Tagebücher (1960-2009), Korrespondenzen, Dokumente des sowjetischen Schriftstellerverbandes und eine Samisdat-Sammlung – der Forschungsstelle Osteuropa, deren Gast er in Bremen oft war.
Im Archiv der FSO befindet sich unter anderem sein Zugangsschein zum „Sinjawski-Daniel-Prozess“ am 12. Februar 1966 in Moskau.
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