Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Maike Lehmann (Bremen)
Kul‘turnost‘ and Non/Belonging in the Late Soviet Union
(65% der vollen Wochenarbeitszeit, Entgeltgruppe 13 TV-L)
ab dem 01. Januar 2025 befristet für 3 Jahre. Bewerbungsfrist: 31.10.2024
Diskussion: Was ist „Osteuropa“? Geschichte und Gegenwart eines widersprüchlichen Konzepts
19 Uhr, Bibliothek der Weserburg Museum für moderne Kunst
Anastasia Tikhomirova, Hans-Christian Petersen, Artur Weigandt, Klaas Anders
Ukrainische Schriftsteller*innen in Zeiten des Krieges
18:00 Uhr, Europapunkt Bremen
Oxana Matiychuk, Susanne Schattenberg
Wissenswertes
Pavel Büchler vor Gericht. Ivan Kyncls Gerichtsreportagen und Publikationen im Westen
Zur Ausstellung „Ivan Kyncl. Rebellion mit der Kamera“ in der Unteren Rathaushalle Bremen, 11.7.-17.8.2014
Der Grafiker Pavel Büchler wird zum Prozess geführt. Prag, 1979. © Ivan Kyncl. Quelle: Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, Bremen, FSO 2-042 Kyncl
Ivan Kyncl (1953-2004), dessen in den Jahren 1979 und 1980 aufgenommene Fotos der Stern hier Jahre nach ihrer Entstehung veröffentlichte, war einer der wenigen Fotografen im Kreis der Prager Dissidenten, der nicht für die Schublade oder für rein private Zwecke fotografierte. Er hatte von vornherein ein westliches Publikum vor Augen und publizierte unter Umgehung der Zensur bereits seit 1978 im Westen. Dabei trieb ihn auch die Frage um wie mit Fotografien die von staatlicher Gewalt geprägte Lebenssituation der Dissidenten einem Publikum zu vermitteln sei, das über keine eigene Erfahrung mit dem Alltag im Sozialismus verfügte.
Kyncl setzte hierzu vermutlich gezielt fotografische Verfahren wie leichte Unschärfe, scheinbar rasch aus der Hüfte geschossene Schnappschüsse oder starke Hell/Dunkel-Kontraste ein, um die Aussage seiner Fotografien zu unterstreichen. So zeigt das Original im Vergleich zur im Stern publizierten Fotografie am oberen linken Bildrand schattenhafte Umrisse eines Kleidungsstücks, die Kyncl Deckung gaben und deshalb in den Bildausschnitt hineinragten. Für die Bildredakteure hatte dieser sichtbare Hinweis auf die konspirativen Entstehungsumstände augenscheinlich keinen besonderen Informationswert. Aus heutiger Sicht ist hingegen das Originalnegativ aufschlussreich, da es Kyncls konspirative fotografische Praxis selbst dokumentiert. Auch die Bildkomposition mit gekipptem Horizont deutet darauf hin, dass dem Fotografen daran gelegen war, die Dramatik der Aufnahmesituation im Bild festzuhalten.
Ivan Kyncl war kein Amateur, sondern ein ausgebildeter Fotograf mit großen beruflichen Ambitionen. Als Sohn eines prominenten Dissidenten und selbst Signatar der Petition Charta 77 blieben ihm Studium und die Laufbahn eines Berufsfotografen in der Tschechoslowakei aus politischen Gründen verwehrt. Die Staatssicherheit fand seine unzensierte Fotografie so bedrohlich, dass sie ihn 1980 ins Exil nach London zwang, wo er ein berühmter Theaterfotograf wurde. Die Negative seiner Prager Schaffenszeit wurden 2010 von Kyncls Witwe an das Archiv der Forschungsstelle übergeben.
Dieter Bub: Tschechoslowakei heute. Bespitzelt, gefangen, gefoltert, in: Stern 35 (1982), H. 30, 10-22. Hier: 10.
Lesetipps:
Heidrun Hamersky: Subversive Bildstrategien: Ivan Kyncls Gerichts- und Gefängnisfotografien aus der Tschechoslowakei der 1970er Jahre im Kontext der Illustrierten Stern, in: zeitenblicke 10, Nr. 2, [22.12.2011], URL: http://www.zeitenblicke.de/2011/2/Hamersky
Heidrun Hamersky/Ulrike Huhn/Susanne Schattenberg (Hrsg.): Ivan Kyncl. Rebellion mit der Kamera, Bielefeld 2014.
Heidrun Hamersky: Störbilder einer Diktatur. Zur Subversiven fotografischen Praxis Ivan Kyncls im Kontext der tschechoslowakischen Bürgerrechtsbewegung der 1970er Jahre. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014 [in Druck]
Artikel von Dieter Bub: Tschechoslowakei heute. Bespitzelt, gefangen, gefoltert, in: Stern 35 (1982), H. 30, 10-22.
Heidrun Hamersky
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