Bibliothek und Archiv für Nutzung geschlossen
Bewerbungsschluss 05.01.2025
20h/Monat ab 1. April 2025; Unterstützung in Forschung und Lehre
Admin, max. 18h / Woche
zum 01.01.2025
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Kerstin Brückweh (Erkner)
Wohnen und Wohneigentum. Lässt sich aus der Geschichte der Transformation in Ostdeutschland lernen?
20.01.2025 Bewerbungsschluss
03.07.-05.07.2024, Dresden
Buchvorstellung
18:00 Uhr, OEG 3790
"The Making and Unmaking of the Ukrainian Working Class"
mit Dr. Denys Gorbach (Autor) und Prof. Dr. Jeremy Morris (Diskutant)
Wissenswertes
Zur Erinnerung an den August-Streik in der Volksrepublik Polen vor 35 Jahren
Foto: Fabian Winkler Fotografie. Quelle: Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, Bremen, FSO 2-005-Xp 0106
Der Streik auf der Lenin-Werft in Danzig im August 1980 gilt als Geburtsstunde der staatlich unabhängigen Gewerkschaft Solidarność. Die Streikenden mit Lech Wałęsa an der Spitze vertraten in ihren 21 Forderungen nicht nur berufsspezifische, sondern auch gesellschaftspolitische Interessen wie das Recht auf freie Meinungsäußerung. Im Zuge einer bald landesweiten Streikwelle bildeten sich vielerorts unabhängige Gewerkschaftsgruppen und eine breite gesellschaftliche Bewegung.
Drei Jahre später erinnerten Akteure der Solidarność aus Puławy mit einer Serie von Untergrundbriefmarken zum Jahrestag an die Anfänge des Streiks in Danzig. Mit dem Porträt des Elektrikers Lech Wałęsa, einem Transparent mit dem Schriftzug „Solidarność“ sowie der Mauer des Werftgeländes mit den Aufschriften „Der Streik dauert an“ und „21 x JA“ erzählten sie mit den damals entstandenen Symbolen der Bewegung deren Erfolgsgeschichte.
Solche Formen der Erinnerung trotzten dem offiziellen Umgang mit dem oppositionell eingestellten Teil der Gesellschaft und mochten das Durchhaltevermögen trotz Repressionen von Seiten des Staatsapparats gestärkt haben. Die Regierungsmannschaft um General Wojciech Jaruzelski hatte inzwischen das Kriegsrecht verhängt (Dezember 1981 bis Juli 1983), Lech Wałęsa saß im Gefängnis und die für kurze Zeit offiziell anerkannte unabhängige Gewerkschaft war für illegal erklärt worden. Die oppositionelle Bewegung musste ihre Aktivitäten zwangsläufig in den Untergrund verlegen.
Herstellung und Verbreitung von Untergrundbriefmarken gehörten zu den subversiven Praktiken des polnischen Untergrunds. Zwischen 1982 und 1989 wurden Schätzungen zufolge 2.000 bis 3.000 unzensierte Ausgaben mit Motiven aus den Bereichen Geschichte, Politik, Gesellschaft und Kultur in Auflagen von durchschnittlich 3.000 bis 5.000 Stück in ganz Polen verbreitet. In der konspirativ tätigen Opposition gab es kein institutionalisiertes Beförderungssystem für Briefe. Jedoch trugen diese Briefmarken gleichwohl einen Nominalwert, für den sie verkauft wurden. Auf diese Weise wurden weitere Aktivitäten der Opposition finanziert und Opfer staatlicher Repressionen unterstützt.
Foto: Fabian Winkler Fotografie. Quelle: Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, Bremen, FSO 2-005-Xp 0106
Während Anhänger der Opposition in den zensierten offiziellen Medien verunglimpft und ihre Aktivitäten heruntergespielt oder gar kriminalisiert wurden, gab auf Untergrundbriefmarken bereits das verwendete Medium die Interpretation vor. Wie konventionelle Briefmarken erinnerten sie im Namen der „Solidarność-Post“ an historische Autoritäten, bedeutende Ereignisse und Errungenschaften der Bewegung. Der Untergrund verstieß zudem gegen das staatliche Postmonopol, was vom Selbstbewusstsein der Akteure zeugte – schließlich sind Post und Briefmarken gemeinhin Ausdruck der Souveränität eines Staates. Dem Sammler prägten sich die dargestellten Botschaften durch ihre Eingängigkeit und das wiederholte Betrachten rasch ein.
Als unzensiertes visuelles Kommunikationsmittel sind die Briefmarken der Untergrundpost Teil des Zweiten Umlaufs, der unterschiedliche Publikationsformate schriftlicher, visueller und auditiver Art umfasste. Gemeinsam war ihnen, dass sie ungeachtet des staatlichen Informations- und Zensurmonopols veröffentlicht wurden und dem Austausch in der oppositionellen Bewegung dienten. Bereits in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre entstanden, hatte der Zweite Umlauf seinen Höhepunkt bis Mitte der 1980er Jahre und war im ostmitteleuropäischen Vergleich einzigartig in seiner inhaltlichen und technisch-grafischen Bandbreite. Das Archiv der Forschungsstelle Osteuropa sammelt seit 1982 Material des Zweiten Umlaufs und besitzt eine ca. 2.600 Untergrundbriefmarken umfassende repräsentative Sammlung.
Lesetipps:
Silke Plate: Briefmarken als Opposition. Die „Untergrundpost“ der 1980er Jahre in der Volksrepublik Polen. Ein Werkstattbericht. In: Inter Finitimos 11, 2013/14, S. 182-190.
Silke Plate: Duże przesłania w małym formacie. Znaczki poczty niezależnej w latach osiemdziesiątych. In: Wróblewski, Roman (Hg.): Czas bibuły. Tom 2. Mechanizmy – ludzie – idee. Wrocław 2013. S. 147-163.
Andrzej Paczkowski: Das „schwächste Glied“. Polen unter kommunistischer Herrschaft. In: Osteuropa 5-6/2013. S. 207-222.
Silke Plate
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