Film und Gespräch: Heller Weg
19:00 Uhr, Kulturwerkstatt Westend
Mit Regisseurin Iryna Riabenka, moderiert von Oksana Chorna
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Natalia Fedorenko (Bremen)
Coming of Age in the Urals in the Early 1960s: Ideals and Perspektives of the Middle Class. The Story of Anna Tarshis
Wissenswertes
Die schwarze Madonna reist durch Polen
Zum 1050. Jubiläum der Taufe PolensArchiv der Forschungsstelle Osteuropa, FSO 2-014. Bestand von Peter Raina,
„Te Deum Tysiąclecia“, Poznań 17.04.1966.
Am 22. Juni 1966 wurde die Muttergottes verhaftet. Nach mehreren Jahren einer triumphalen Reise durch Polen beschlagnahmten die kommunistischen Behörden eine Kopie des Gnadenbildes der Schwarzen Madonna von Tschenstochau. Die Prozessionsreise des Bildes durch Polen – die unsere Archivale des Monats hier auf einem Foto in Posen im April 1966 zeigt – konnte das nicht aufhalten. In den folgenden Wochen setzten sich die Prozessionen fort, nun mit einem leeren und mit Blumen geschmückten Rahmen.
Dies war einer der Höhepunkte – und eine der absurden Blüten – in der heftigsten Auseinandersetzung zwischen kommunistischem Staat und katholischer Kirche während der Volksrepublik Polen. 1966 feierte die katholische Kirche das Millennium der Taufe Herzog Mieszkos I., die weitläufig als Taufe des ganzen Landes verstanden wurde und wird. Über neun Jahre lang bereitete die Kirche sich mit ihren Gläubigen auf diese Feierlichkeiten vor und demonstrierte mit Gottesdiensten, Prozessionen wie zum Beispiel denen mit der Schwarzen Madonna und anderen Massenveranstaltungen ihren Einfluss im kommunistischen Land. Am 3. Mai 1966 kamen gut 1,5 Millionen Menschen zum Höhepunkt dieser Feier nach Tschenstochau und erneuerten symbolisch die Taufe Polens. Die polnischen Bischöfe hatten dazu die Bischöfe der Welt eingeladen, und an die deutschen Bischöfe die berühmten Versöhnungsworte „Wir gewähren Vergebung und bitten um Vergebung“ geschickt. Der kommunistische Staat verhinderte solche internationalen Kontakte und bemühte sich seinerseits, den Anlass in einer Feier des „Jahrtausend polnischer Staatlichkeit“ für sich zu vereinnahmen. Es kam zu einem „Kampf um die Seelen“ der Polen, ein Kampf darüber, was Polen stärker präge: der katholische Glaube oder der Kommunismus.
Die Schwarze Madonna von Tschenstochau eignete sich dabei ganz besonders als Symbol der Verbindung des Landes und seiner Menschen mit der Kirche. Das Bild aus dem Paulinerkloster auf dem Klarenberg in Tschenstochau war und ist das bedeutendste Wallfahrtsziel in Polen. Der Legende nach wurde das Bild 1382 bei einem Überfall der Tartaren beschädigt und hat seitdem „Narben“ auf den Wangen der Madonna. Bei der Belagerung des Klarenbergs durch die Schweden 1655 habe die Schwarze Madonna zu Gunsten Polens eingegriffen und die Schweden vertrieben. König Johann III. Kasimir erhob Maria daraufhin symbolisch zur Königin Polens.
Nach 1966 wurde die Schwarze Madonna auch für die polnische Opposition ein wichtiges Symbol. Lech Wałęsa trug stets ein Bild der Madonna am Revers und die streikenden Werftarbeiter in Danzig schrieben im August an eine Wand, dass auch die Muttergottes streike. Auch heute feiert die polnische Kirche erneut das Jubiläum, nun das 1050., der Taufe Polens und demonstriert damit gesellschaftlichen Einfluss.
Das Bild zeigt die Kopie des Gnadenbilds bei einer Prozession in Posen am 17. April 1966, während der propagandistischen Kampagne gegen die Kirche und kurz vor dem Höhepunkt der Auseinandersetzung. Es ist Teil des Bestands von Peter Raina, eines der besten Kenner der kirchlichen Zeigeschichte Polens, der der Forschungsstelle Osteuropa eine Vielzahl von Dokumenten und Fotografien übergeben hat.
Lesetipps:
Antoni Dudek/Ryszard Gryz: Komuniści i kościół w Polsce. 1945–1989, Krakau 2003.
Bartłomiej Noszczak (Hg.): „Milenium czy Tysiąclecie”, Warschau 2006.
Gregor Feindt
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