Bibliothek und Archiv für Nutzung geschlossen
Bewerbungsschluss 05.01.2025
20h/Monat ab 1. April 2025; Unterstützung in Forschung und Lehre
Admin, max. 18h / Woche
zum 01.01.2025
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Kerstin Brückweh (Erkner)
Wohnen und Wohneigentum. Lässt sich aus der Geschichte der Transformation in Ostdeutschland lernen?
20.01.2025 Bewerbungsschluss
03.07.-05.07.2024, Dresden
Buchvorstellung
18:00 Uhr, OEG 3790
"The Making and Unmaking of the Ukrainian Working Class"
mit Dr. Denys Gorbach (Autor) und Prof. Dr. Jeremy Morris (Diskutant)
Wissenswertes
Eine sozialistische Opposition in Polen
Zum 30. Jahrestag der Neugründung der Polnischen Sozialistischen Partei am 15. November 1987
Foto: Fabian Winkler Fotografie. Quelle: Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, FSO 02-002 Gp 0391, 02-005 Xp 0864, 02-110 Folek, 02-101 Kowalski.
Um 14:10 Uhr erschien die Staatssicherheit in einer Warschauer Schrebergartensiedlung, notierte die Namen aller Anwesenden, nahm fünf von ihnen fest und unterbrach so das geheime Treffen. So steht es auf der abgebildeten Seite der Untergrundzeitung Robotnik (Der Arbeiter). Doch diese Intervention durch die Staatsmacht änderte nichts. Am 15. November 1987 gründeten Oppositionelle die Polnische Sozialistische Partei (PPS) neu, eine oppositionelle sozialistische Partei in einem sozialistischen Land. Die Gründer waren sich bewusst, dass das Wort Sozialismus in der Volksrepublik keinen besonderen Klang mehr hatte und nicht zum Aufbruch aufrief. Und dennoch wollten sie mit „Arbeit, Kampf und schöpferischem Denken diesem Wort und den damit verbundenen Werten seine eigentliche Bedeutung zurückgeben“, wie es in der Gründungserklärung hieß. Die Collage aus Zeitschriften, Briefmarken und Postkarten erinnert an die Neugründung der PPS und eröffnet einen Blick auf ihre unterschiedlichen Flügel.
Die Anwesenden hatten gleich zu Beginn ihres Treffens festgehalten, dass die Gründung vollzogen sei, unabhängig davon, wie lange man tagen könne. Sie hatten ausreichend Erfahrung im politischen Untergrund gesammelt und waren überwiegend schon länger in der polnischen Opposition aktiv. Seit 1976 waren im Land immer neue Gruppen entstanden und öffentlich geworden. Verhaftungen, Hausdurchsuchungen und Repressalien gehörten unweigerlich dazu, konnten aber die Bewegungen für Menschenrechte und Demokratie nicht stoppen. Auch der Robotnik, in dem die Gründung bekannt gegeben wurde, erschien bereits im fünften Jahr (in der Collage oben links). Mit Namen und Symbolen verwiesen Zeitung und Partei auf Traditionen des Vorkriegssozialismus und der PPS in der Emigration. Die in der Collage abgebildeten Briefmarken (oben rechts) zeigen so den neuen PPS-Vorsitzenden Jan Józef Lipski – einen der wichtigsten Oppositionellen im Polen der 1970er und 1980er Jahre – in einer Reihe mit dem PPS-Gründer Pużak und dem Staatsgründer der Zwischenkriegszeit, Piłsudski. Im Laufe der Zeit wurden solche Archivstücke aus Polen herausgeschmuggelt und kamen so in das Archiv der Forschungsstelle Osteuropa. Andere Stücke, wie die Zeitschrift Przemiany und die Karte zum Parteitag der Auslands-PPS in Köln 1982, entstanden im Westen und stammen aus dem Nachlass des emigrierten PPS-Aktivisten Tadeusz Folek.
Gleichzeitig verstand sich die neue PPS als Teil der demokratischen Opposition und knüpfte an die Gewerkschaftsbewegung Solidarność an, gehörte aber zum radikaleren Flügel dieser heterogenen Bewegung. 1988 beteiligte sie sich an den massenhaften Streiks und Demonstrationen, die Gespräche zwischen der Regierung und der verbotenen Oppositionsbewegung und letztlich den Runden Tisch erzwangen. Die PPS blieb aber einem Kompromiss mit der Staatsmacht gegenüber zurückhaltend und zerbrach früh an dieser Frage. Vor allem junge Aktivisten forderten eine demokratische Revolution und sprachen sich gegen einen verhandelten Umbruch aus. Eine Gruppe um Lipski dagegen kooperierte mit dem Bürgerkomitee, wie sich die Solidarność nun nannte. Bei den halbfreien Wahlen im Juni 1989 traten nur einzelne Parteimitglieder in den Reihen des Bürgerkomitees an. Lipski wurde in den neugeschaffenen Senat gewählt. 1990 fusionierten beide PPS-Lager in Polen mit den Parteiorganisationen in Westeuropa und blieben dennoch unbedeutend. In der nun demokratischen Wirklichkeit Polens konnte die Polnische Sozialistische Partei ihre strategischen Differenzen aus dem Untergrund nicht überwinden. Außer den Postkommunisten entstand auch keine andere, dauerhaft stabile linke Partei in Polen.
Lesetipp
Hartmut Kühn: Das Jahrzehnt der Solidarność. Die politische Geschichte Polens 1980-1990, Berlin 1999.
Robert Spałek: Polska Partia Socjalistyczna. Dlaczego się nie udało? Szkice. Wspomnienia. Polemiki, Warschau 2010.
Gregor Feindt
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