Film und Gespräch: Heller Weg
19:00 Uhr, Kulturwerkstatt Westend
Mit Regisseurin Iryna Riabenka, moderiert von Oksana Chorna
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Natalia Fedorenko (Bremen)
Coming of Age in the Urals in the Early 1960s: Ideals and Perspektives of the Middle Class. The Story of Anna Tarshis
Wissenswertes
Nur eine „propagandistische Geste“
Zur Aufhebung des Kriegsrechts in Polen am 22. Juli 1983
Quelle: Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, FSO, 02-003, Fp0710, Flugblätter.
Als am 22. Juli 1983 das Kriegsrecht in der Volksrepublik Polen aufgehoben wurde, versammelten sich am nächsten Tag in Warschau ca. 300 Personen vor dem berüchtigten Gefängnis in der Rakowiecka-Straße, in dem politische Gefangene einsaßen. Mit Willkommenstransparenten sahen sie der Freilassung oppositioneller Aktivisten entgegen, die während des anderthalb Jahre dauernden Kriegszustands inhaftiert worden waren. Auch die „Vorläufige Koordinierungskommission der Gewerkschaft Solidarność“ (Tymczasowa Komisja Koordynacyjna NSZZ „Solidarność“ – TKK) begrüßte in einer schriftlichen Erklärung vom 28. Juli 1983 „mit Freude die widerrechtlich inhaftierten Kollegen, die in die Freiheit entlassen wurden“.
Das am 13. Dezember 1981 verhängte Kriegsrecht war eine Reaktion des Staatsapparats auf die oppositionelle Massenbewegung Solidarność gewesen, die im Sommer 1980 im ganzen Land entstanden war und sich in den folgenden 16 Monaten mit unterschiedlichsten Initiativen in Bereichen der Wirtschaft, Politik, Bildung und Kultur öffentlich etabliert hatte. Den legalen Status, den die kommunistischen Machthaber der Gewerkschaft Solidarność notgedrungen zugestanden hatten, erkannten sie ihr mit dem Kriegszustand wieder ab. Im Untergrund gründete sich als Landesvertretung der Gewerkschaft die genannte TKK und prägte die Diskussionen und Praktiken der Opposition unter nunmehr konspirativen Bedingungen.
Jene „Erklärung zur Aufhebung des Kriegszustands“ vom 28. Juli 1983 befindet sich im Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen. Auf einer halben A4-Seite rechnete die TKK schonungslos mit dem Regime ab. Die Beendigung des Kriegsrechts sei nur eine „propagandistische Geste“ gegenüber dem westlichen Ausland, damit es die Sanktionen aufhebe und erneut Kredite gewähre. In der Tat hatte die Staatsführung nicht den Plan, an die Zeit vor dem Kriegsrecht anzuknüpfen. Vielmehr erhielt sie in der nun einsetzenden Phase der „Normalisierung“ qua Sondergesetzgebung Beschränkungen aus der Zeit des Kriegszustands aufrecht: Diese umfassten beispielsweise Repressionen gegenüber Oppositionellen und die Begrenzung der in der Zeit der offiziell anerkannten Solidarność ausgehandelten Praktiken der Arbeiterselbstverwaltung und der Autonomie der Hochschulen. All dies laufe auf eine „Entmündigung der Gesellschaft als ständiges Element der Staatspolitik“ hinaus, so die scharfe Verurteilung durch die TKK. Überdies wurden die Reformprojekte im Wirtschaftssektor, über die man sich noch im Jahr 1981 verständigt hatte, vom Machtapparat verworfen.
Das am 13. Dezember 1981 verhängte Kriegsrecht war eine Reaktion des Staatsapparats auf die oppositionelle Massenbewegung Solidarność gewesen, die im Sommer 1980 im ganzen Land entstanden war und sich in den folgenden 16 Monaten mit unterschiedlichsten Initiativen in Bereichen der Wirtschaft, Politik, Bildung und Kultur öffentlich etabliert hatte. Den legalen Status, den die kommunistischen Machthaber der Gewerkschaft Solidarność notgedrungen zugestanden hatten, erkannten sie ihr mit dem Kriegszustand wieder ab. Im Untergrund gründete sich als Landesvertretung der Gewerkschaft die genannte TKK und prägte die Diskussionen und Praktiken der Opposition unter nunmehr konspirativen Bedingungen.
Jene „Erklärung zur Aufhebung des Kriegszustands“ vom 28. Juli 1983 befindet sich im Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen. Auf einer halben A4-Seite rechnete die TKK schonungslos mit dem Regime ab. Die Beendigung des Kriegsrechts sei nur eine „propagandistische Geste“ gegenüber dem westlichen Ausland, damit es die Sanktionen aufhebe und erneut Kredite gewähre. In der Tat hatte die Staatsführung nicht den Plan, an die Zeit vor dem Kriegsrecht anzuknüpfen. Vielmehr erhielt sie in der nun einsetzenden Phase der „Normalisierung“ qua Sondergesetzgebung Beschränkungen aus der Zeit des Kriegszustands aufrecht: Diese umfassten beispielsweise Repressionen gegenüber Oppositionellen und die Begrenzung der in der Zeit der offiziell anerkannten Solidarność ausgehandelten Praktiken der Arbeiterselbstverwaltung und der Autonomie der Hochschulen. All dies laufe auf eine „Entmündigung der Gesellschaft als ständiges Element der Staatspolitik“ hinaus, so die scharfe Verurteilung durch die TKK. Überdies wurden die Reformprojekte im Wirtschaftssektor, über die man sich noch im Jahr 1981 verständigt hatte, vom Machtapparat verworfen.
In der klaren Benennung und eindeutigen Verurteilung der Maßnahmen des Regimes in der halbseitigen Erklärung manifestiert sich nicht nur die Führungsposition und meinungsbildende Rolle der TKK für die Solidarność-Bewegung. Die Verlautbarung lässt sich auch als Aufruf an die oppositionell eingestellte Gesellschaft verstehen, sich weiter aktiv gegen das Regime zu positionieren, zumal sich infolge der Verhängung des Kriegszustands und der seit Langem bestehenden fatalen Versorgung der Bevölkerung mit materiellen Gütern Erschöpfung breit gemacht hatte. Der rasche Schwund der einstigen oppositionellen Massenbewegung von ca. zehn Millionen Mitgliedern auf einige zehntausend Aktive war eine Folge davon. Deren beharrlich betriebene Unterwanderung des Systems, kombiniert mit einem Dialogangebot an die staatlichen Machthaber vonseiten der Solidarność-Führung wurden die Strategie der kommenden Monate und Jahre und zeitigten als langfristiges Ergebnis die Verhandlungen am Runden Tisch und die halbfreien Wahlen am 4. Juni 1989.
Lesetipps:
Andrzej Paczkowski: Revolution and Counterrevolution in Poland 1980 – 1989. Solidarity, Martial Law and the End of Communism in Europe, Rochester 2015.
Tadeusz Ruzikowski: Stan wojenny w Warszawie i województwie stołecznym 1981 – 1983, Warszawa 2009.
Tadeusz Ruzikowski: Stan wojenny w Warszawie i województwie stołecznym 1981 – 1983, Warszawa 2009.
Silke Plate
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