Bibliothek und Archiv für Nutzung geschlossen
Bewerbungsschluss 05.01.2025
20h/Monat ab 1. April 2025; Unterstützung in Forschung und Lehre
Admin, max. 18h / Woche
zum 01.01.2025
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Kerstin Brückweh (Erkner)
Wohnen und Wohneigentum. Lässt sich aus der Geschichte der Transformation in Ostdeutschland lernen?
20.01.2025 Bewerbungsschluss
03.07.-05.07.2024, Dresden
Buchvorstellung
18:00 Uhr, OEG 3790
"The Making and Unmaking of the Ukrainian Working Class"
mit Dr. Denys Gorbach (Autor) und Prof. Dr. Jeremy Morris (Diskutant)
Wissenswertes
Mit dem „Genscherwurf“ in die Freiheit
Deutsche Geschichte als Brettspiel
Archiv der Forschungsstelle Osteuropa. Foto: Maria Klassen.
Viele Menschen haben mich immer wieder angesprochen, ein Buch über die Zeit der Botschaftsbesetzung 1989 in Prag zu schreiben. Ich habe mich für das Brettspiel mit dem Titel „Flucht in die Botschaft Prag“ entschieden, um damit eine aktive Erinnerung zu erreichen. Das Auswärtige Amt versetzte mich Mitte Januar 1989 von Bonn nach Prag an die Botschaft, mit der Aufgabe, mich um zufluchtsuchende DDR-Bürger, die täglich in der Botschaft vorsprachen, zu kümmern. Schon vor 1989 suchten DDR-Bürger vereinzelt Zuflucht in der Botschaft. Das lag auch daran, dass die DDR am 30. November 1988 eine neue Reiseverordnung erlassen hatte. Nach Inkrafttreten der neuen Verordnung über Reisen ins Ausland kam es erneut zu einer starken Zunahme von Vorsprachen und Festsetzungen in der Botschaft Prag durch DDR-Bürger, die seit Jahren Ausreiseanträge gestellt hatten und dadurch persönlichen Schikanen am Arbeitsplatz, Wohnort, Behörden und Staatssicherheit ausgesetzt waren.
Ob ein unterhaltsames Brettspiel dramatischer Geschichte und persönlicher Schicksale gerecht werden kann, sei dahingestellt. Eines ist diesem Spiel aber nicht abzusprechen: es erinnert an die Ereignisse und bewegenden Szenen des 30. Septembers 89, die die Öffnung der Mauer im November 89 mit beeinflusst haben – und damit das Ende der DDR.
Wir erinnern uns: Im September 1989 wankt die DDR. Immer mehr Menschen flüchten aus dem Arbeiter-und Bauernstaat. Ein Schlupfloch ist die Botschaft der Bundesrepublik in Prag. Im Hof des Palais Lobkowicz campieren Tausende in Zelten auf durchnässten Boden. Sie haben es geschafft, sich bis hierher durchzuschlagen und über den Zaun zu klettern – oft gegen den Widerstand der tschechischen Miliz. Die Zufluchtsuchenden warten auf die ersehnte Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland. Ein wochenlanger Nervenkrieg, der am 30. September mit einer Jubelszene endet. Der damalige Bundesaußenminister Genscher erscheint in der Dunkelheit auf dem Balkon der Botschaft und verkündet:“ Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, die Züge stehen zur Ausreise bereit.“ Der Jubel der ca. 6000 Menschen klingt noch heute in meinen Ohren. Freude und Tränen bei allen wechselten sich ab. Mit den wenigen Habseligkeiten, die die Zufluchtsuchenden bei sich hatten, ging es mit Bussen zum Bahnhof Liben. Der erste Zug verließ mit ca. 650 gegen 21.50 Uhr Prag Richtung Dresden und Plauen nach Hof wo er gegen 0612 Uhr am folgenden Tag eintraf. Der Empfang auf dem Bahnhof war herzlich und tränenreich zugleich. Nach Rückkehr in die Botschaft in Prag am Mittag des 1. Oktobers standen bereits ca. 350 Zufluchtsuchende DDR-Bürger vor der Eingangstür und baten um Einlass, der Ihnen nach Rücksprache mit dem Auswärtigen Amt in Bonn durch Botschafter Hermann Huber gewährt wurde. Die zweite Ausreisewelle mit ca. 4500 Menschen begann am 4. Oktober 1989 und ging wieder mit Zügen über Dresden und Plauen nach Hof.
In einer Mischung aus Klamauk und Ernst habe ich meine persönlichen Erfahrungen in das Brettspiel einfließen lassen und es den zehntausenden Bürgern der ehemaligen DDR gewidmet, die in der DDR keine Zukunftschancen mehr sahen und sich auf einen schweren und opferreichen Weg via Botschaft Prag in die Freiheit machten. Die Abstimmung nach Freiheit geschah 1989 nicht durch freie Wahlen, sondern erfolgte durch die Füße!
Ich werde den Satz von DDR-Bürgern nicht vergessen, der lautete: „Wenn die D-Mark nicht zu uns kommt, kommen wir zur D-Mark“. Dies war keine leere Redensart. Es war das Streben der Menschen in der DDR nach Selbstbestimmung, Eigeninitiative, wirtschaftlicher Entfaltung und sozialer Sicherheit. Gedenken wir am 30. September dieses Jahres den Tausenden Menschen, die den Mut aufbrachten und der Staatsmacht trotzten, um für Demokratie und Freiheit ihr Leben durch Flucht aufs Spiel setzten. Wir schulden diesen Menschen Respekt und Dankbarkeit.
Hans-Joachim Weber
Der Autor war vom 14.01.1989 bis Mitte April 1994 Angestellter in der deutschen Botschaft in Prag.
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