Bibliothek und Archiv für Nutzung geschlossen
Bewerbungsschluss 05.01.2025
20h/Monat ab 1. April 2025; Unterstützung in Forschung und Lehre
Admin, max. 18h / Woche
zum 01.01.2025
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Kerstin Brückweh (Erkner)
Wohnen und Wohneigentum. Lässt sich aus der Geschichte der Transformation in Ostdeutschland lernen?
20.01.2025 Bewerbungsschluss
03.07.-05.07.2024, Dresden
Buchvorstellung
18:00 Uhr, OEG 3790
"The Making and Unmaking of the Ukrainian Working Class"
mit Dr. Denys Gorbach (Autor) und Prof. Dr. Jeremy Morris (Diskutant)
Wissenswertes
Memorial. Russlands unbequemes Gedächtnis
Anlässlich der Entscheidung von Russlands Oberstem Gericht am 28.12.21, die Organisation Memorial International aufzulösen.
Im Gedenken an die Opfer des Stalinismus, 1988, Archiv der Forschungsstelle Osteuropa © K. Ivanov
Ein Gesicht – halb Totenkopf, halb Mensch – prangte von einem Plakat in Moskau. Darunter eine Nummer: № 700454. Es handelte sich um ein Spendenkonto zur Errichtung eines „Mahnmals in Gedenken an die Opfer gesetzeswidriger Verfolgung“. Initiiert wurde die ungewöhnliche Aktion 1987/1988 von Aktivist*innen. Sie nutzten die neuen gesellschaftlichen Freiräume der Perestroika, um gegen das von der Kommunistischen Partei angeordnete Vergessen vorzugehen.
Memorial – so nannte sich die Initiative in einer Pressemitteilung, in der sie im Sommer 1988 ihr Organisationskomitee und den gesellschaftlichen Beirat vorstellte. Dazu gehörte der erst 1986 aus der Verbannung zurückgekehrte Physiker Andrej Sacharow sowie eine Reihe prominenter Schriftsteller. Das Ziel der Initiative war ein angemessenes Gedenken an die Millionen Opfer, die unter der Herrschaft Stalins in sowjetischen Straflagern inhaftiert, zwangsumgesiedelt, durch Hunger oder Erschießung umgekommen waren. Neben einem zentralen Gedenkort sollte ein Informationszentrum mit Archiv und Bibliothek als Anlaufstelle für Betroffene und die breite Öffentlichkeit eingerichtet werden.
Pressemitteilung von Memorial, Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, F. 01-003/W/LK-1122, Bl. 5
Im Archiv der FSO finden sich zahlreiche Dokumente, die von der Entstehungsgeschichte und dem Wirken Memorials erzählen. Sie geben dabei über dreierlei Auskunft: Erstens über die große Bandbreite der Aktivitäten von Memorial als eine der wichtigsten Organisationen der russischen Zivilgesellschaft. Zweitens über die vielgestaltigen persönlichen Verbindungen zwischen Memorial mit unseren Archivgeber*innen und auch mit Mitarbeiter*innen der FSO. Und drittens über Interessenskonflikte zwischen Memorial und Dritten, die argwöhnisch auf die persönlichen Kontakte von Memorial ins Ausland blickten und von den stetigen Verhinderungsversuchen seitens der Staatsmacht befeuert wurden. Diese Schikanen haben Memorial seit ihren Anfängen begleitet.
Die Pressemitteilung zur Gründung von Memorial findet sich daher in zwei Varianten und Formaten: Im Archivbestand der Korrespondentin Elfie Siegl sowie im Archivbestand von Lew Kopelew und seiner Ehefrau Raissa Orlowa. Elfie Siegl hatte als deutsche Journalistin in Moskau die Gründung von Memorial miterlebt. Das Ehepaar Kopelew/Orlowa wiederum wurde von der heutigen Geschäftsführerin von Memorial, Jelena Schemkowa, als Unterstützer ins Vertrauen gezogen, als die Organisation zu Beginn der 1990er Jahre wegen einer Sachspende aus Deutschland Anfeindungen seitens der russischen Presse ausgesetzt war. Es ging um drei gebrauchte Sofas, geschenkt von der Heinrich-Böll-Stiftung zur Ausstattung der neuen Räumlichkeiten. Das eingangs erwähnte Plakat der Spendenaktion gelangte über Mitarbeiter*innen der FSO in unser Archiv, wo eine ganze Sammlung von Veranstaltungsankündigungen und Plakaten von Memorial aufbewahrt wird.
Vorwürfe und Kampagnen gegen Memorial hat es in der 30-jährigen Geschichte der für Russlands Führung so unbequemen wie für die russische Gesellschaft insgesamt so notwendigen Organisation immer wieder gegeben. Damit einher erklangen Stimmen zu ihrer Unterstützung. In den vergangenen zwei Wochen berichteten viele Menschen aus Russland und andernorts in den sozialen Netzwerken unter dem #MыМемориал #MeMemorial darüber, was die Arbeit von Memorial für sie persönlich bedeutet.
Mit diesem Archivale des Monats sprechen auch wir unseren Kolleg*innen von Memorial unsere Unterstützung aus und hoffen sehr, unsere gemeinsame Arbeit künftig fortsetzen zu können.
Manuela Putz
Ссылка на русскую версию
Lesetipps
Nancy Adler: Victims of Soviet Terror. The Story of Memorial Movement, London 1993.
Kathleen Smith: Remembering Stalin’s Victims. Popular Memory and the End of the USSR, Ithaca/London 1996.
Evgenija Lezina: Memorial und seine Geschichte. Russlands historisches Gedächtnis, in: Osteuropa 64/11-12, 2014, S.165-176.
Manuela Putz ist Historikerin und Wissenschaftsmanagerin an der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen. Seit 20 Jahren bildet die Geschichte der sowjetischen Straflager einen ihrer Forschungsschwerpunkte; seit 2008 kooperiert sie mit Memorial in zahlreichen Forschungs- und Archivprojekten an der FSO.
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