Film und Gespräch: Heller Weg
19:00 Uhr, Kulturwerkstatt Westend
Mit Regisseurin Iryna Riabenka, moderiert von Oksana Chorna
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Natalia Fedorenko (Bremen)
Coming of Age in the Urals in the Early 1960s: Ideals and Perspektives of the Middle Class. The Story of Anna Tarshis
Wissenswertes
Zum Tode von Ilja Kabakow
(30.09.1933 – 27.05.2023)
Foto aus dem Bestand „FSO 01-210 Eimermacher“
Für das sowjetische Leben sei die Kommunalka eine gute Metapher, meinte Ilja Kabakow in einem Gespräch*, denn darin zu leben sei nicht möglich, doch auch anders zu leben sei ebenso nicht möglich. So könne man die sowjetische Lage beschreiben und ein Haftlager sei nur eine andere Variante der Kommunalka. Im gleichen Gespräch sagte er: „Für den westlichen Menschen ist es schier unverständlich, wie man sich in solche Qual wie ein Leben in der Kommunalka begeben kann, <…> wo alle in einer gemeinsamen Küche kochen und alle eine einzige Toilette benutzen.“
Um wenigstens in seiner künstlerischen Fantasie dieser menschenentwürdigenden Welt zu entkommen, baute Kabakow in seiner Moskauer Dachwohnung, in der sich die inoffizielle russische Kunstszene traf, die Installation "Der Mann, der aus seiner Wohnung in den Kosmos flog". Eine eingebaute Vordachplatte sah aus, als hätte sich jemand durch das zerberstende Dach in das Weltall hinaus katapultiert.
Als einer der markantesten Vertreter des Moskauer Konzeptualismus erregte Kabakow schnell die Aufmerksamkeit westlicher Journalisten, Diplomaten und Wissenschaftler. Der damalige Bochumer Professor und Slawist Karl Eimermacher schloss Freundschaft mit dem nonkonformen Künstler und verhalf ihm zu den ersten Ausstellungen in der Bundesrepublik.
Auf der Kasseler Documenta IX in dem Jahr 1992, als gerade die Sowjetunion zerfallen war, stellte Kabakow seine Installation „Toilette“ aus: ein skurriles Relikt der Kommunalka. In den hoffnungsvollen Zeiten nach dem Verschwinden der Blöcke des Kalten-Krieges wich beim Betrachter die Verstörung eher einem Kopfschütteln und dem erleichterten Gefühl: „Das ist endlich vorbei und Geschichte.“.
Nun, 30 Jahre später, wo mitten in Europa ein Krieg wütet, entfacht von dem Land, das die Sowjetunion wiedererrichten will, verlässt Ilja Kabakow, seit seiner Ausreise im Westen geblieben, endgültig diese Welt und hinterlässt inspirierende Spuren, die einen traurig und nachdenklich machen. Seine unvergessliche Art, die Dinge zu entfremden und damit erst begreiflich zu machen, ist leider wieder hochaktuell: „Eine Replik der Zelle von Alexej Nawalny ist vor der russischen Botschaft in Berlin aufgestellt worden. Sie soll die Bedingungen greifbar machen, unter denen der Oppositionelle seine Haftstrafe verbüßt.“**
* Илья Кабаков и Виктор Тупицын. Разговор о коммунальности. Нью-Йорк, 1989. Conceptualism.letov.ru.
** https://www.derstandard.de/story/2000142899852/nawalny-zelle-vor-russischer-botschaft-in-berlin-aufgestellt
Maria Klassen
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