CfA: „Challenges of Data Collection, Re-use, and Analysis: Public Opinion, Political Debates, and Protests in the Context of the Russo-Ukrainian War"
The Research Centre for East European Studies (FSO), Bremen, 25-27.08.2025
Buchvorstellung/Gespräch
19:00 Uhr, Theater Bremen, Foyer Großes Haus
"White But Not Quite": Gibt es antiosteuropäischen Rassismus?
mit Autor Ivan Kalmar
Einführung: Klaas Anders, Moderation: Anke Hilbrenner
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3 0330 / Zoom
Muriel Nägler
Einführung für Studierende
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3 0330 / Zoom
Agata Zysiak (Vienna/Lodz)
The Socialist Citizenship. Social Rights and Class in Postwar Poland
Buchvorstellung und Gespräch
18:00 Uhr, Europapunkt
Ein Russland nach Putin?
mit Jens Siegert und Susanne Schattenberg
CfP: Coming to the Surface or Going Underground? Art Practices, Actors, and Lifestyles in the Soviet Union of the 1950s-1970s
The Research Centre for East European Studies (FSO), Bremen, November 13-14, 2025
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3 0330 / Zoom
Hera Shokohi (Bonn)
Genozid und Totalitarismus. Die Sprache der Erinnerung an die Opfer des Stalinismus in der Ukraine und Kasachstan
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3 0330 / Zoom
Sheila Fitzpatrick (Melbourne)
Lost Souls. Soviet Displaced Persons and the Birth of the Cold War
Wissenswertes
Als Wien zum Zentrum des tschechoslowakischen Dissens‘ wurde
Brief von in Wien lebenden Unterzeichner*innen der Charta 77 an Leonid Breschnew und Gustáv Husák mit der Forderung zur Freilassung der politischen Gefangenen, 1977. Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, Foto: Klaas Anders.
Als am 01. Januar 1977 die Charta 77, eine Petition gegen die Menschenrechts-verletzungen des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei, unterschrieben und veröffentlicht wurde, überschlugen sich die politischen Ereignisse in der Tschechoslowakei, aber auch in den angrenzenden Staaten jenseits und diesseits des „Eisernen Vorgangs“. Die tschechoslowakische Regierung reagierte wenig überraschend mit umfassenden Repressionen gegen die 243 Erstunterzeichner*innen der Erklärung wie auch gegen die vielen Weiteren, die in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten die Charta unterzeichnen sollten. Bereits am 18. Januar 1977 zeigte sich die Regierung Bruno Kreisky im benachbarten Österreich deshalb sehr besorgt und erklärte kurzerhand, allen Menschen politisches Asyl zu gewähren, die aufgrund ihrer Unterschrift der Charta 77 verfolgt wurden. So kamen bis Anfang der 1980er etwa 400 Personen nach Österreich, die unterschiedlicher hätten kaum sein können: enttäuschte Kommunist*innen, die für eine bessere sozialistische Republik gekämpft hatten, wie der frühere Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, Zdeněk Mlynář, aber auch Kulturschaffende, die der Repression entgehen wollten, wie die Theaterkünstler*innen Ludvík Kavín und Nika Brettschneider oder bekennende Anhänger*innen des selbst ernannten „tschechoslowakischen Underground“, wie der Kneipenbesitzer Jiří Chmel oder der Fotokünstler Abbé Libánský.
In Wien trafen sie nun wieder zusammen. Dort bildeten sich teilweise gemeinsam mit den Vereinen und Strukturen früherer Emigrant*innen und den traditionellen „Wiener Tschechen“, teilweise explizit in Abgrenzung zu diesen neue Gruppen und Initiativen. Auch unter dem Namen Charta 77 kämpften viele weiter zusammen für die Einhaltung der Menschenrechte in der ČSSR und publizierten eine Vielzahl an Schriften, um beispielsweise auf die Situation der politischen Gefangenen in der Tschechoslowakei hinzuweisen. Bei dem Dokument dieser Archivale des Monats handelt sich um einen Brief vom November 1977, den die in Wien lebenden Signatar*innen der Charta an Leonid Breschnew und Gustáv Husák richteten, um die Freilassung der politischen Gefangen zu fordern. Dass sich dieses Dokument aus Wien, adressiert an Prag und Moskau, nun in einem Archiv in Bremen befindet, zeigt die enorme Reichweite und Informationsverbreitung der exilantischen Netzwerke. Dieses Dokument ist über den Nachlass des tschechoslowakischen Exilanten und Verlegers Jiří Pelikán nach Bremen gekommen. Pelikán war eine zentrale Figur der weltweiten Netzwerke des tschechoslowakischen Dissens. Er ging ins Exil nach Rom, wo er die Exilzeitschrift „Listy“ herausgab. Pelikán stand im engen Austausch mit seinen Freund*innen und Verbündeten weltweit, so auch mit Zdeněk Mlynář in Wien, der nach seiner Emigration eine zentrale Persönlichkeit für die Gruppe „Listy“ wurde.
Wien wurde zu einem zentralen Dreh- und Angelpunkt des tschechoslowakischen Dissens und blieb auch nach 1989 ein wichtiger Bezugspunkt für seine Akteur*innen. So besuchte Václav Havel bei seiner ersten Reise als Staatspräsident der Tschechoslowakei umgehend Jiří Chmels Kneipe Nachtasyl in Wien, die auch Jahrzehnte nach der Samtenen Revolution noch im Geist der Charta und des „tschechoslowakischen Underground“ ein sicherer Hafen für alle Heimatlosen geblieben ist.
Klaas Anders
Lesetipps
Catalano, Alessandro: Zdeněk Mlynář and the Search for a Socialist Opposition. From Active Politician to Dissident to Editorial Work in Exile, in: Soudobé dějiny 20 (2013), S. 277–344.
Janýr, Přemysl: Tschechoslowakei 1968 - Charta 77, in: Heiss, Gernot; Rathkolb, Oliver (Hg.): Asylland wider Willen. Flüchtlinge in Österreich im europäischen Kontext seit 1914, Wien 1995, S. 182–187.
Stanek, Eduard: Verfolgt, verjagt, vertrieben. Flüchtlinge in Österreich, Wien 1985.
Klaas Anders ist Doktorand am DFG-Graduiertenkolleg 2686: „Contradiction Studies“
an der Universität Bremen und forscht zu Widersprüchen in alltäglichen Lebenswelten des tschechoslowakischen Exils.
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