Odesa-Tage 2025
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, / Zoom
Gun-Britt Kohler (Oldenburg) | Feld, Markt, Ideologie. Der belarussische Literaturbetrieb im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts
Conference: Coming to the Surface or Going Underground? Art Practices, Actors, and Lifestyles in the Soviet Union of the 1950s-1970s
Research Centre for East European Studies (FSO)
Registration until 07.11.2025
Wissenswertes
Nachruf auf Sergej Dedjulin
Foto © m. klassen
Sergej Dedjulin
(9.12.1950 in Leningrad – Oktober 2025 in Paris)
Sergej Wladimirowitsch Dedjulin kam in Leningrad zur Welt: Sein Vater war Militärarzt bei der Marine und Medizinhistoriker, die Mutter eine Überbelende der Leningrader Blockade.
Als studierter Chemiker arbeitete Dedjulin an einem Forschungsinstitut und unterrichtete Chemie an diversen Berufsschulen. Aber gleichzeitig besuchte er weiter an der Universität als Gasthörer Vorlesungen in Geschichte und Philosophie, so dass seine Freunde aus der Menschenrechtsbewegung ihn in erster Linie als Historiker und Bibliographen sahen.
Seit 1975 lieferte er regelmäßig Informationen für die im Samizdat herausgegebene „Chronik der laufenden Ereignisse“, gab zusammen mit Viktor Kriwulin die Samizdat-Zeitschrift „Sewernaja potschta“ heraus und wirkte bei anderen Samizdat-Ausgaben der „Leningrader zweiten Avantgarde“ mit. Er gehörte zum Redaktionsteam um Arsenij Roginskij, Larissa Bogoras, Alexander Daniel des historischen Almanachs „Pamjat‘“, bis dies 1981 der KGB zerschlug. Das war der Moment, in dem Dedjulin entschied, das Land zu verlassen, um einer Verhaftung zu entgehen. Bereits 1979 hatte der KGB bei einer Hausdurchsuchung sein gesamtes privates Archiv beschlagnahmt.
In Paris arbeitete er ein Jahrzehnt lang in der Redaktion der renommierten Emigrantenzeitung „Russkaja Mysl“ mit. Sein enormes Wissen der russischen Literatur, Kunst, Kultur hüben und drüben und sein ausgesprochen professioneller, akribischer Umgang mit Archivdokumenten machten ihn zu einem äußerst gefragten Mitwirkenden bei zahlreichen Tamizdat-Projekten der russischen Diaspora.
In den letzten zwei Jahrzehnten investierte Sergej Dedjulin viel Kraft, Mittel und Passion in die Herausgabe der Sammelbände „Bibliograph“, „Neuer Bibliograph“ u.a. Um diese Projekte finanzieren zu können, verdiente er sein Geld als Stadtführer für russische Touristen.
Trotz seiner vielseitigen Bildung blieb er zeit seines Lebens im Exil allein bis einsam. Die gebührende Anerkennung liest man erst heute in diversen Nachrufen auf ihn. Doch zu seinen Lebzeiten tat sich die russische intellektuelle Diaspora mit Dedjulins Homosexualität, die er als französischer Bürger und Europäer leben konnte, sehr schwer bis abweisend.
Seinen Archivbestand in der Forschungsstelle Osteuropa gründete er 2003. Wir trauern um Sergej Dedjulin, der das FSO-Archiv in Bremen immer wieder gerne besuchte und hier die Anerkennung seiner Persönlichkeit in all seinen Facetten erfuhr.
Maria Klassen
im Okt. 2025
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