Geschichte des Instituts
Die Forschungsstelle Osteuropa wurde 1982 unter Prof. Dr. Wolfgang Eichwede als "sicherer Hafen" für Dokumente des Samizdat (Untergrundliteratur) aus Osteuropa gegründet. Ihr Auftrag war und ist, Zeugnisse kritischen Denkens und sozialer Bewegungen in Osteuropa zu sammeln, ihre Analyse und Einordnung in die geschichtlichen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen und Entwicklungen in Osteuropa vorzunehmen und entsprechende Forschungsergebnisse zu veröffentlichen.
Zu Zeiten des Ostblocks, der Zensur und der Repressionen funktionierte die Forschungsstelle Osteuropa als kulturelles Gedächtnis der Andersdenkenden und Oppositionellen in Osteuropa. Über die verschiedensten Kanäle und Wege erreichten Dokumente aus der Sowjetunion, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn und der DDR Bremen, wo es trotz des Eisernen Vorhangs gelang, eine Anlaufstelle für Dissidenten und ihr Schaffen zu etablieren. In den 1980er Jahren konzentrierte sich die Forschungstätigkeit daher auf die Manifestationen unabhängiger künstlerischer Tätigkeit und intellektueller Produktion des Untergrunds. Hinter den Fassaden der offiziellen Politik wurden diejenigen informellen Strömungen und oppositionellen Denkansätze aufgespürt, die Aufschluss über die Innenansichten dieser Gesellschaften geben konnten.
Die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche in Osteuropa stellten für die Forschungsstelle einen tiefen Einschnitt dar. Die Sammlungstätigkeit des Archivs der Forschungsstelle begann nach dem Zusammenbruch des Ostblocks bzw. der UdSSR 1989/1991 richtig zu blühen. Was vorher illegal oder halblegal nach Bremen geschmuggelt worden war, konnte nun ganz offiziell transportiert werden. In den 1990er Jahren wuchs das Archiv rasant, und auch heute bietet Bremen mit seiner gewachsenen Archivstruktur den richtigen Kontext für weiteres Material inoffiziellen Schaffens.
Die Forschungstätigkeit verlagerte sich nun zunehmend auf die Transformationsprozesse in Ost- und Ostmitteleuropa. Dabei konzentrierten sich die Historiker/-innen, Politolog/-innen und Literaturwissenschaftler/-innen an der Forschungsstelle Osteuropa weniger auf die ökonomischen Prozesse, wie sie typischerweise von der Transformationsforschung behandelt werden, sondern vorrangig auf die historischen Traditionen und kulturellen Kontinuitäten, die über 1989/1991 hinauswirken und den spezifischen Boden für die Umgestaltung in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur bereiten.
Im Zentrum der gegenwärtigen interdisziplinären Forschung stehen übergreifende Fragestellungen danach, inwieweit die staatssozialistische Vergangenheit und die sowjetische Hegemonialzeit gegenwärtige Entwicklungen beeinflussen und die Länder und Gesellschaften in Ost- und Ostmitteleuropa bis heute prägen. Dissens und Konsens, Herrschaft und Opposition werden unter den verschiedenen Bedingungen von autoritärer Herrschaft und Hegemonie einerseits und postsozialistischer Transformation andererseits untersucht.
Trägerschaft / Finanzierung
Die Forschungsstelle ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts, getragen von der Freien Hansestadt Bremen, der Freien und Hansestadt Hamburg sowie vom Land Nordrhein-Westfalen. Nach anfänglicher Finanzierung aus Mitteln der VW-Stiftung wurde das Institut 1986/87 in die gemeinsame Länderfinanzierung der Kultusministerkonferenz übernommen. Als eine Einrichtung "an" der Universität ist die Forschungsstelle über die Person ihrer Direktorin, die zugleich Lehrstuhlinhaberin an der Universität Bremen ist, sowie über inhaltliche Absprachen und Zusammenarbeit eng mit dieser verbunden.
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