Diskussion: "1000 Tage Krieg in der Ukraine - wie weiter?"
18:00 Uhr, Europapunkt Bremen
Mattia Nelles, Eduard Klein, Oksana Chorna, Susanne Schattenberg
Film und Gespräch: Heller Weg
19:00 Uhr, Kulturwerkstatt Westend
Mit Regisseurin Iryna Riabenka, moderiert von Oksana Chorna
Kolloquiumsvortrag
18:15 Uhr, IW3, Raum 0330 / Zoom
Natalia Fedorenko (Bremen)
Coming of Age in the Urals in the Early 1960s: Ideals and Perspektives of the Middle Class. The Story of Anna Tarshis
Wissenswertes
Jubiläumskonferenz 15.-16.6.2007
Programm der Konferenz
Programme of the conference
Erläuterung
Die Konferenz dient dem Ziel, unterschiedliche Perspektiven auf die Zeitgeschichte des östlichen Europas von Stalins Tod 1953 bis zu den "samtenen" Revolutionen von 1989 zusammenzuführen. Dabei sollen einerseits politische, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen in ihren wechselseitigen Zusammenhängen in den Blick genommen werden. Andererseits sollen der Totalitarismusstreit oder die Modernisierungsdebatten nicht wiederholt werden. Stattdessen rücken Fragestellungen nach den kulturellen Profilen, den Handlungsräumen in den einzelnen Gesellschaften sowie den Funktionsweisen der politischen Ordnungen in den Vordergrund. Gegenstandsbereiche sollen nicht voneinander isoliert werden. Unterschiedliche methodische Zugänge gilt es miteinander zu kombinieren.
Die Forschungsstelle hat sich in ihrer 25jährigen Geschichte schwerpunktartig mit der Geschichte des Dissens, der Bürgerrechtsbewegungen und der alternativen Kulturen beschäftigt sowie nach der epochalen Wende von 1989 nach den zivilen oder zivilgesellschaftlichen Optionen in den Gesellschaften des östlichen Europas gefragt. Im Mittelpunkt der Jubiläumskonferenz steht der Anspruch, diese Vorgänge in einen übergreifenden historischen Kontext einzuordnen und nach den Möglichkeiten einer vergleichenden kulturgeschichtlichen Forschung zu fragen. Das Ringen um eigene Räume, subjektive Lebensentwürfe und individuelle Rechte beschreibt Forschungsfelder, die Aufschluss über die zeitgeschichtlichen Entwicklungen insgesamt zu geben vermögen. Zur Diskussion stehen damit auch die Integrationsangebote und Funktionsstörungen der bestehenden Ordnungen.
Die Konferenz widmet sich nicht den Samizdat-Welten per se, sondern dem Versuch, über sie und ihre Analyse mehr zu den Gesellschaften und Kulturen, in denen sie gewirkt haben, zu erfahren und den historischen Ort zu finden, in den sie einzuordnen sind. Angesichts der ausgeprägten Differenzierung, die die Länder des östlichen und mittleren Europas auszeichnet, kommt der vergleichenden Perspektive ein hoher Stellenwert zu. Den gemeinsamen oder ähnlichen Systembedingungen stehen divergierende geschichtliche Erfahrungen gegenüber. In der weiteren Forschung sollte der komparative Aspekt nicht auf die Region beschränkt bleiben, sondern nach übergreifenden Parametern fragen.
Die Konferenz ist angelehnt an ein Forschungsprojekt, das im Januar 2007 unter dem gleichen Titel das Bremer Institut gemeinsam mit 5 Partnerinstituten in Osteuropa begonnen hat. Gefördert von der VW-Stiftung verfolgt der Forschungsverbund das Ziel, in 3 Gegenstandsbereichen (Öffentliche Diskurse, Biographien und Zensur) eine vergleichende zeitgeschichtliche Forschung für Ost- und Ostmitteleuropa auf den Weg zu bringen.
Auf dieser Basis ist die Konferenz in 4 Panels gegliedert:
- Das 1. Panel "Politische Systeme: Funktionsdefizite, Reformfragmente und Repressionsmuster" unternimmt den Versuch, die sowjetischen Ordnungen in ihrer Realität jenseits des Totalitarismusmodells zu beschreiben. Den Herrschaftsansprüchen, seien sie von der Hegemonialordnung vorgegeben, seien sie national eingefärbt, sind die sozialen wie ökonomischen Wirklichkeiten mit all ihren Schwächen und ihren Blockaden, ihrem Wandel und Innovationspotential zuzuordnen. Wiederum gilt es, nicht nur nach Ländern zu differenzieren, sondern die Gründe und Profile der Differenzierung in Vergleich zu setzen. Im Sinne einer Vertiefung und Konkretisierung des analytischen Ansatzes sollen hier am Beispiel der Zensurpolitik Fallstudien staatlicher Herrschaftspraxis eingebaut werden.
- Das 2. Panel "Anpassung und Widerspruch in sozialistischen Gesellschaften" fragt nach der Bindungskraft der sozialen Ordnungen, nach den vielfachen Arrangements, den Ritualen und Vorzügen der Integration ebenso wie nach den Bruchstellen, die zu Abweichungen von den vorgegebenen Mustern oder zu bewussten Widerstandshandlungen geführt haben. Was lässt sich als Tendenz oder Trend gesellschaftlicher Entwicklungen in den spätsozialistischen Jahrzehnten ausmachen? Was erklärt die abrupten Umschläge von Anpassung, Rückzug (Nischengesellschaft) und Protest, was die langjährige Isolierung bürgerrechtlicher Gruppen, was die plötzliche Mobilisierung von Gesellschaften insgesamt? Im Rahmen dieses Panels sollen auch biographische Wege Einzelner aufgezeigt werden, um die "Wendepunkte" ausfindig zu machen. Symbolwelten und Sinn-Angebote spielen hier ebenso wie ihr Wegbrechen eine herausragende Rolle.
- Das 3. Panel "Pluralisierung der öffentlichen Räume" widmet sich der Auflösung eines einheitlichen öffentlichen Raums und dem Zerfall einer verpflichtenden Ideologie, Prozesse der Fragmentierung, die sich sowohl innerhalb der offiziellen Sphäre vollziehen als auch von nicht-offiziellen Initiativen vorangetrieben werden. Unabhängige, Teil- oder Gegenöffentlichkeiten bilden sich. Grauzonen und fließenden, auch wechselnden, von Land zu Land unterschiedlichen Übergängen fällt eine hohe Bedeutung zu. Dabei richtet sich der Blick nicht nur auf Strukturen und Kommunikationsformen, sondern auch auf die Inhalte von Diskursen und auf Themen, die zwischen den einzelnen Ebenen hin und her wandern. Das Bild gewinnt erst recht an Komplexität, wenn die kulturellen Szenen, politischen Milieus und bürgerrechtlichen Gruppierungen in ihrer gesamten Vielfalt in die Analyse aufgenommen werden. Eine Theorie oder ein Konzept von Öffentlichkeit für die spätsowjetischen Kulturen steht bislang noch aus.
- Das 4. Panel "Widerstandsbewegungen und Gegenkulturen in historischer Perspektive" blickt über die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in Osteuropa hinaus, um nach geschichtlichen Traditionen und Vorläufern in der Region, aber auch nach notwendigen Differenzierungen (die voreilige Konstruktionen von Kontinuität verbieten) zu fragen sowie nach geschichtlichen Wirkungen, die von ihnen ausgegangen sind. Vor dem Hintergrund des besonderen Zuschnitts, der die Menschenrechtsbewegungen und alternativen Szenen in Osteuropa auszeichnet, drängen sich auch mögliche Verbindungslinien etwa zu der civil rights movement in den USA oder zu Protestbewegungen in Westeuropa auf. Sind solche Vernetzungen und Anknüpfungspunkte empirisch zu untermauern und in eine Geschichte des Widerstands und alternativen Denkens einzubauen?
Annotations
The conference aims at bringing together different perspectives on the contemporary history of Eastern Europe, from Stalin's death in 1953 to the "velvet" revolutions in 1989. In particular the interrelations between political, societal, and cultural developments shall be considered. Furthermore, one should move beyond the totalitarianism and the modernisation debates. Emphasis is therefore placed on questions of cultural profiles, spaces of action in the various societies and the functioning of political systems. Importantly, rather than isolating themes from each other, different methodological approaches shall be combined.
Looking back on the 25 years of its history, the Research Centre on East European Studies has extensively worked on the history of dissent, the civil rights movements, and alternative cultures. It has explored civil and civic options within Eastern European societies. The conference is guided by the ambition to put these developments in a wider contextual historical perspective, and to explore possibilities of a comparative cultural history. The struggle for own spaces, subjective concepts of life and individual rights depicts research fields that may provide better insight into contemporary historical developments at large. Various integration offers and functional deficiencies of the existing systems are thus subject to discussion.
The conference is not devoted to the Samizdat worlds per se. Rather, by analysing these one may learn more about the societies and cultures where they have emerged and may be able to position them within their historical context. In view of the high differentiation among the countries of Central and Eastern Europe, a comparative perspective seems germane. Common or similar systemic conditions are accompanied by diverging historical experiences. Moreover, further research should not rest on a comparative component within this region but seek for overarching parameters.
The conference draws on a research project under the same title that the Bremen Research Centre has started together with 5 partner institutes in Eastern Europe. Funded by the Volkswagen Foundation, the project aims at initiating a comparative contemporary historical research for Central and Eastern Europe related to three themes (public discourses, biographies, and censorship).
On this basis, the conference is structured along 4 panels:
- Panel 1, Political Systems: Functional Deficiencies, Reform Fragments and Patterns of Repression, seeks to describe the reality of Soviet systems beyond the model of totalitarianism. Social and economic realities with all their weaknesses and blockages, with their transformation and their innovation potential, have to be seen in association with to the power claims, whether prescribed by hegemonic order or nationally determined. Again, the focus is not on individual countries but seeks to assess reasons and profiles of change from a comparative perspective. In order to deepen and substantiate the analytical approach, case studies on the implementation of governmental rule shall be integrated using the example of censorship policies.
- Panel 2, Conformity and Dissent in Socialist Societies, addresses the bonding power of social systems, the multiple arrangements, rituals and advantages of integration as well as fractures that have fostered deviance from prescribed patterns of behaviour or resistance. What are the tendencies or trends of societal developments during the late socialist decades? How can we explain the abrupt shifts regarding conformity, withdrawal (society of niches) and protest? How to explain long-term isolation of civil rights groups, and how the sudden mobilisation of whole societies? Also ways of individual persons shall be traced in the context of this panel, in order to identify the "turning points". In this regard, the provision of symbolic meanings is as important as their collapsing.
- Panel 3, Pluralisation of Public Spheres, is devoted to the dissolution of a common public sphere and the breakdown of a binding ideology and to processes of fragmentation that occur both in the official sphere and through informal initiatives. Independent, semi- or counter- public spheres are emerging. Of particular relevance are grey zones and intersections which are blurred, changing over time as well as differing from country to country. Attention is given to structures and forms of communication, but also to contents of discourses and themes that migrate between the different levels. The picture becomes even more complex when the analysis accounts for cultural scenes, political milieus, and civil rights groups in their overall diversity. So far, a theory or concept of "public sphere" for the late Soviet cultures remains to be awaited.
- Panel 4, Resistance Movements and Cultural Alternatives from a Historical Perspective, is looking beyond the second half of the 20PthP century in Eastern Europe in order to search for historical traditions and forerunners in the region as well as for necessary differentiations (preventing from premature construction of continuity) and their historical impacts. Based on the particular layout characterising the human rights movements and alternative scenes in Eastern Europe, possible cross comparisons seem to suggest themselves, such as to the civil rights movements in the USA or protest movements in Western Europe. To what extent are such connections parallels to be supported by empirical evidence and to be integrated into a history of opposition and alternative thinking?
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